Lysippus.
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ser. Pausanias nennt die oben erwähnte Statue des Troilus, und
Tatianus eine Statue der Praxilla. Dann fertigte er auch die Sta-
tuen der Olympischen Sieger Callikrates, Chilon und Polydamas.
Strabo will auch von dem Erzbilde eines fallenden Löwen wissen.
In der Anthol. Palat. IX. 777 wird auch eines ehernen Pferdes
mit grossem Lobe erwähnt, und daran schliessen wir die Meinung,
dass Lysippus auch die berühmten antiken Pferde über dem grot-
tesken Portale der Sankt Marcus-Iiirche zu Venedig gefertiget
habe. was indessen Einige verneinen. Mustoxidi, Sui quatro
cavalli della basilica di S. Mai-eo in Venezia 1816 hält den Urhe-
ber dieser Bronzen für einen geschickten Meister aus der ZeitAle-
xandefs des Grossen, wenn man auch so geradehixi dem Lysippus
selbe nicht zuschreiben dürfe. Mustoxidi meint, die Chier hatten
die Pferde entweder von einem einheimischen oder fremden Iiünst-
ler giessen lassen, was indessen so schwer zu bewei-sen ist, als
dass sie Lysippus wirklich gefertiget hat. Abgebildet sind diese
Pferde bei Zanetti, Statue di Venezia I. tav. 45 (16. Constantin
der Grosse nahm diese Bildwerke, die aus Chios nach Italien ge-
kommen waren, mit sich nach Constantinopel und stellte sie auf
dem Hippodrom auf. Früher zierten sie in Rom die Triumphpforte
des Augustus, dann jene des Nero, später die des Domitian, end-
lich die von Trajan, und Constantin nahm sie mit dem Sonnen-
wagen von seinem Triumphbogen herab, da er sie auch aul den-
selben gesetzt hatte. Im Jahre 1205 nahmen sie in Constantinopel
die Venctianer mit sich, und Jahrhunderte hindurch sah man sie
jetzt über dem Portale von St. Marco, bis 1797 Napoleon die
Wanderung nach Paris veranstaltete, mit so vielem Rechte, wie
seine Vorgänger. Der Friede von Paris war 1315 die Ursache, dass
die Venetianer das Viergespann wieder erhielten.
lrrthiimlich tragen Lysippus Namen die Statue derJuno von Sa-
mos, die Cedrenus diesem Meister und dem Bupalus zuschreibt;
die Statue des Iiönis Seleucus, und der Herkules Pitianus mit der
Inschrift: A T2111 0d? EPFON.
Ueber die letzteren der angeführten Werke handelt Sillig im Cat.
artif. genauer, mit Angabe der Quellen.
Lysippus ist einer der berühmtesten Meister des Alterthums, ein
Glanzpuxikt der griechisrhen Iiunst, der nach Praxiteles sich zeigt.
Er nahm immer an Vollkommenheit zu; Beobachtung der Natur
und Studium der früheren Meister, welche Lysippus eng mitein-
ander verband, führte ihn zu mancher Verfeinerung im Enzelnen
(argutiae operum des Plinius); namentlich legte er das Haar natür-
licher, nach Müller wahrscheinlich mehr nach malerischen Effek-
ten an. Die Künstler damaliger Zeit wandten auf die Proportionen
des menschlichen Iiürpers das angestrengteste Studium; dabei
flihrte sie das Bestreben, besonders Portraitfigilren durch eine un-
gewöhnliche Schlankheit gleichsam über das Menschenmaass hin-
auszulieben, zu einem neuen System schlanker-er Proportionen,
Welches von Euphranor und Zeuxis begonnen, von Lysippus aber
CPSI harmonisch durchgeführt, und in der griechischen Iiunst her.
nach herrschend wurde. Es muss indessen gestanden werden, 5301;
Müller, dass dieses System weniger aus einer warmen undinnigcabn
Auffassung der Natur, welche namentlich in Griechenland 55,51, in
gerlrungenen Figuren schöner zeigt, als aus einem Bestreben, das
Iiunstwerk über das Wirkliche zu erheben, hervorgegangen ist
Auch zeigt siclrin den Werken dieser Iiünstler schon deutlich die
äßryvaltcmle Neigung zu dem Colossalen, welche in der nächsten
erlode herrschend gefunden wird. Müllerf l. c. S. 125 B".
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