Kiesling ,
Leopold.
7
rung zu bringen, der ihn sogleich, nebst der Bezahlung der Schuld
aus eigenem, mit einem jährlichen Gehalte von 200 Gulden aus
dem akademischen Fonde entschädigte. Ausserdem verschaffte er
Ihm für in- und ausländische Kunstfreunde vom hohen Bange die
vortheilhaftesten Arbeiten, deren einzelnen VVerth er von jeder
Uebergabe fast immer um ein Viertheil höher anschlug, als ihn die
zu gewissenhafte Demnth des nun geborgenen liünstlers bei dem"
Vorzeigen eines Werkes bestimmt hatte. In diesem für Iiieslinä
so günstigen Gliickswechsel erwarb er sich auch durch ein lVIodel
von Gyps, das den an der Aschenurne des Patruklus trauernden
Achilles vorstellt, den zweiten historischen Preis: eine silberne
Schaurniinze mit der Beilage von vierzig Gulden; allein da der
Forscherbliek des Protektor-s und einige andere zu Rathe gezogene
Iiunstrichter ihm nach der Hand, den ersten Preis zuerkannten,
liess ihm die Gerechtigkeitsliebe des erstern im Geheim und unver-
muthet den Werth der goldenen Schaumiinze in Geld von seiner
Hauskasse auszahlen, und um ihn auch öffentlich auszuzeichnen,
vermehrte er seinen akademischen Jahresgehalt mit 200 Gulden.
Diese damals nicht unbedeutende Summe von. 400 Gulden genoss
Kiesling ein Jahr lang, und schon traf ihn das schönste Loos eines
zur Vollkommenheit reitenden Iinnsttalentes. Der Graf Gobenzl.
erkohr ihn nach eingeholten: Urtheile der Professoren und Kunst-
kenner unter den übrigen geschickten jungen Bildhauern zu einer
Reise nach dem klassischen lVIutterlande Roms.
Die Dauer seines Aufenthaltes daselbst war auf drei Jahre fest-
gesetzt, mit dem bald schriftlich erhaltenen Antrag, nach Verlauf
dieser Zeit als österreichischer Pensionär auch nach Paris zu reisen,
wohin schon viele der lehrreichsten Denkmäler der alten Iloma
und anderer Städte, welche die Geisel des Krieges erreichte, bereits
ausgewandert waren. Die zwei ersten Jahre beschäftigte sich der
fleissige Künstler damit, dass er die vorziiglichcren Meisterwerke
der alten Griechen und Römer, die noch ihren ursprünglichen
Ehrenplatz behaupteten, skizzirte, und theils in Thon, theils in
Gyps und Marmor nachbildete; das dritte Jahre verfertigte er nebst
mehreren Basreliefs Gruppen und Figuren in Lebensgrösse einen
Hymen, einen Ganyrned, drei Köpfe nach berühmten Antiken,
nämlich den Merkur, Achilles und Ajax in llrlarxnor, und in Lebens-
ärösse eine Gruppe, die den Merkur darstellt, wie er die von der
enus grausam verfolgte Psyche zur Verxaühlung mit Autor eilig
in den Olymp führt.
Nicht lange dar-nach begann der dritte Krieg mit Frankreich
(1805) und sein Lavastrom hinderte den beinahe reisefertigen
Künstler an der seinem Verdienste zugedachten Bestimmung nach
Paris, dagegen erhielt er aber die Erlaubniss, in Rom oder dessen
Umgebungen sein Studium noch ein Jahr zu benützen, auf welches
jedoch zuerst zwei und dann sogar drei Jahre folgten, ehe er den
Vaterländischen Boden wieder betreten , und seinem grossen
Kaiser die Beweise seiner dankerfiilltexi Iluldignng in einem Kunst-
werke darstellep konnte, von dem er die Idee, während jenes
Krieges gefasst und gezeichnet, an den Protektor der Akademie eilt-
Sitndte, Mittlerweile ereignete sich der angenehme Fall, dassder
Rlllßr Qanova wegen des von ihm gefertigten Grabmales der Erz-
hßrlßgin "Christine nach Wien sich begab. Vor der Abreise bßehrte
91' Seinen ihm wohlbekannten "Nebenbuhler" (er selbst nannte so
unsern Kiesling) und bot ihm auf die geflilligste Weise seine Dienste
an. Kiesling theilte ihm offenherzig sein Vorhaben und Anliegen
mit, zumal da die schon in Gyps geformte Idee Canovafi Beifall
und Bewunderung erregte, und was Cobenzl als Protektor bei