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Kaufmann ,
Maria
Anna
Angelica.
die Frau zu erhalten, mit 300 Pfund St., um sich aus dem Crimi-
nalprozesse zu retten. Angelica fand warme Theilnalnne an ihrem
Schicksale, selbst bei den höchsten Ständen. Sie sah sich durch
die Aufnahme in die k. Akademie geehrt, welche eben unter Rey-
nolds in London gestiftet wurde; ihr Leben beschränkte sich aber
jetzt lange Zeit bloss auf die Ausübung der Kunst, und den Genus;
der Gesellschaft der ausgezeichnetsten Menschen der Hauptstadt,
Erst im Jahre 1731 verband sie sich mit dem venetianischen Maler
Antonio Zucchi, der zu jener Zeit in London lebte.
Jetzt war der Entschluss gelasst, Italien wieder zu betreten und
in Rom das Leben zu heschliessen. In Venedig hatte Sie den Vep.
lust ihres Vaters zu beweinen, und ohne Verweilen reisten beide
nach Rom, von wo sie nach Neapel gingen. Die Iiüxiigin Iiaroline
nahm die Iiiixistlerin auf die freuncllichste Weise auf, und gab ihi-
so ansehnliche Bestellungen auf neue VVerke, dass sie bei den Auf.
trägen, welche sie von liaiser Joseph IL, der Kaiserin Catharina
von Russland, dem Churfürsten Iiarl Theodor von Bayern und
andern Grossen erhalten hatte, in grösster Verlegenheit war, wie
sie so vielen ehrenvollen Anforderungen geziemend entsprechen
sollte. Aber rastloser Fleiss, der Genuss der schönen Natur und
des grossen Alterthums, häusliches Glück, emsi e Religions-Uebung
und der vertraute Umgang mit Reillenstein, Voiipato, Ilackert, dem
Kardinal Spina und andern ausgezeichneten Menschen. der Zeig
füllten von nun an die Stunden des zw-eclsmässig eingerichteten
Lebens dieser Frau. Sie genoss 40 Jahre beneidensvverthes Glück,
bis der Tod ihres Gatten und der Ausbruch der römischen Ilevolu-
tion ihre Ruhe und ihr Vermiigexi erschütterten.
Nach 1802 genas ihr Herz wieder zu jugendlicher Fröhlichkeit,
und in dieser Zeit malte sie die Jungfrau in der himmlischen Glorie
für die Iiirche ihres Geburtsortes, als religiöses fromrnes Angedenken,
Am 5. November 180? endete ihre Laufbahn, und im üntheon
wurde ihre Büste aufgestellt.
Angelika folgte nicht den Fusstapfeil Mengs, obgleich Sie einigen
Unterricht von ihm genossen hatte. Sie erfreute durch die leichte,
der lieblichen [Ieiterkeit ihrer Composition zusagende Behandlung.
Die Leichtigkeit und Sicherheit, mit welcher sie sich in ihrer an-
genommenen Manier bewegte, ihre eigene Liebenswürdigkeit, die
sich in ihren Werken durch eine sanfte Farbe und milden Ausdruck
abspiegelte, verschadte ihren geschichtlichen Gemälden von engli-
schen Prinzen und Damen viele Bewunderung. Im Fache der Por-
traitmalerei hatte sie wirklich unliiugbare Verdienste, da ihre Bilder
dieser Art nicht blos die Aehnlickeit, sondern auch den Geist auf's
Lebendigste wiedergeben, wie z. BÄ in Winckelmannä Bilde, das
auch im Iiupferstiche bekannt ist. In ihren übrigen Werken ge-
fällt die glückliche Wahl der Gegenstände, und in ihren Formen
erkannte man Würde und vorherrschende Grazie; besonders in
den Frauengestalten eine eigene unnachahmliche Weiblichkeit. Ihre
Mannspersonen erscheinen züchtig; Helden und leidenschaftliche
Charaktere konnte ihre an das Sanfte und Jungfräuliche gewohnte
Seele lliCht wiedergeben. Aber dennoch hat Angelika neben lWIei-igg
und Füge! bedeutende Verdienste, die nur nicht mit jenem Maas-
stabe gemäßen werden dürfen, welchen man in unseren Tagen an
die Werke de!" Kunst legt. Sie ist eine liebliche Erscheinung zur
Zeit der dämmernden Morgenröthe eines besseren Geschmackes,
doch blieb ihr Ziel verfehlt, wie jenes der beiden erwähntenliiinst-
Ier. Sie strebte zwar nach einer naturgemesseilern Auflassung,
nach dem Ideale, allein die Künstlerin suchte dieses nicht lll der
uns umgebenden sinnlichen Offenbarung, sondern in Formen: Welche