Ludwig.
Hess,
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Schönes und Herrliches hat, genau zu erforschen: Auch nahm
er oft Köpfe von Rindern, Schafen oder Ziegen mit nach Hause,
um sie zu copiren. Bald wurden seine Arbeiten gesucht und irer-
schafften ihm Gewinn und persönliche Freiheit, so dass er seine
Zeit beinahe ganz für die Iiunst verwenden konnte. Um diese
Zeit war ihm Gessner's belehrender Umgang wichtig; auch Bod-
mer und Lavater hulcligten seinem Talente. Er unternahm von
jetzt an malerische Wanderungen, und machte später eine llßiäe
nach liom. Schon vorher hatten seine Bilder durch einfache stille
Grosse angezogen, aber nach dieser Zeit wehte ein höherer edle-
rer Geist in seinen Darstellungen, grössere Eleganz zeigte sich in
allen Formen und Massen; sein, sonst durch himmelaxisteigende
Gebirge geschlossener, Horizont wurde nun erweitert und die
Aussicht öffnete sich in ein reiches milderes Iilima, nur durch
den weiten Ocean oder durch ferne sanfte Hiigcl begrenzt. Was
einen Hauptvorzug vor allen Landschaftsrnaleru seines Vaterlam,
des ausmacht, ist sein Talent in Darstellung der hohen Alpen-
massen, ja selbst der Schnee- und Eisgebirge. Diese Riesenge-
stalten der Urvvelt hat gewiss noch kein" Maler so in aller ihrer
Iiraft und Schönheit auf die Leinwand überzutragen verstanden,
wie Hess. Durch seine Gemälde lernt man erst diese in der VVirk-
lichkeit dem ungeübten Auge zu iiberschwenglicheil Gegenstände
fassen und begreifen, ohne darum eine kleinere Vorstellung von
ihnen zu bekommen. Den, getreu nach der Natur verfertigten,
Bildern weiss er durch die Auswahl des schiclslichsten Standpunk-
195, der interessantesten Tages und Jahreszeit und der wirksam-
iten Beleuchtung einen Reiz und eine jiraft xnitzutheilen; die sie
zu bedeutsamen Jdealbildern erhebt._ Die charakteristische Form
und Farbe der Bergmassen, das saftige, feuchte, duftende Grün
der Alpenwiesen, die mannichfaltigen Abstufungen der immer rau-
hern und höhern Gegenden, bis zu den hahlen, von der Zeit und
den Elementen in verschiedene liliifte und Brocken zerspalteten,
übereinander geschichteten Felsen und Klippen bis in die Regio-
nen des ewigen Schnees und Eises hinauf, wetss sein Pinsel na-
turhistorisch, wahr und treu darzustellen.
Sein Fleiss umfasst alle Theile seines Werkes mit gleicher Liebe,
durch Reinheit des Pinsels und Farbenauftrages und durch ru-
hige Klarheit das Auge bezaubernd; Ausser der grossen Zahl von
Oelgemälden hat man noch eine grosse Anzahl von Zeichnungen,
halb in Pastell, halb in Gouache, auf graulich-griinem Papier, die
er mit der grössten Sicherheit und Fertigkeit vollendete. Die
Berggegenclen besonders erhalten durch die geistreiche, diesem
Iiiinstler durchaus eigene, Art der Zeichnung gerade jenen roman-
tischen, zugleich ernsthaften und reizenden Charakter, den sie in
der Ylfirklichkeit haben. Von dieser Art Zeichnungen ging Hess
Zu völligen Gouachegemälden mit. deckenden Farben über, die
vonmanchen noch den Oelgemälden vorgezogen werden. In den
zwei letzten Jahren seines Lebens ätzte er auch in Kupfer, und
verlertigte gegen 30 kleinere und grössere Kupferplatten, theils in
Aquatlnta, lheils mit der Nadel vollendet, welche, etwa ein hal-
bes Dutzend Prohestiicke ausgencmmen, die er selbst soglelCll
Wieder Velmclllßllß, eine reichhaltige Sammlung von schönen Pro-
spekten und Comppsitioxiep bilden; Lips hat Hessens Bild als
Vignette und Hegi eines seiner gelungensten Oelgemälder die
Alpenfahrt der Hirteniui Frühling Vorstellend, in Aquatinta-Ma-
hier geliefert. Von Clwsem Blaue sind theils braune, lllßllß C0l0-
rirte Abdrücke vorhanden. _N
Nagleräs- Iiünstler-Lex. VI. Bd. '10