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Gudin ,
Theodor.
und edle Naturtreue, vom Vor- bis zum Hintergründe, ohne zu
beachten, dass-der Hintergrund an Deutlichkeit verlieren und dass
im Vorgrunde schon die Luftperspektive wirken muss." Die deutsche
Naturtreue wird daher oft eine Untreue, denn so scharf iincl fein er-
scheint der Grund in der Natur dem Auge nicht. Die Franzosen sind
nicht im Sinne der Deutschen naturgetreu; sie halten ihr Bild in
der Fernsicht und schon die Vorgründe sind im Verhältnis; zu dem
Varkleinerungs -_Massstab unsern Blicken entrückt. Es ist aber un-
endlich schwer in der Ferne die Natur im Iileinen charakteristisch
zu geberä, Äia SIETÄGT gur u: UIIIPISäC treu ist. Von dieser Seite
müssen u in's l er etrac tet wer en, und dann erscheinen uns
dieselben als Vollkommene Meisterwerke. Es ist in ihnen Alles nur
in einzelnen Bissen gehalten, mit kräftigen Pinselstrichen hinge-
worfen, und (las Ganze dadurch in herrlicher Ferne gehalten E,"
Muster dieser Art ist 'ene Mondnacht am Strande, die man 1356
auch auf der Berlinerjliunstausstellung sah. Genau beschrieben ist
dieses Bild in den Berliner Nachrichten 1856, Beilage Nro. 251. Da
heisst es, der Mondschein auf dem Meere, das Meer selber, besonders
aber der Strand sei vielleicht niemals schöner gemalt worden, und
der aufmerksame Beobachter könne sich ganz und gar im Bilde
verlieren, und Stundenlang damit hinbringen, die Treue der Per-
spektive und der Farben darin zu bewundern, durch welche dieses
Bild so ganz und gar Natur wird. Hier ist der Künstler fast lyri-
scher Natur, doch häufig steht er auch auf dem Gebiete der neu-
romantischen Schule der Franzosen, wo Alles auf den Effekt ab-
gesehen ist, wie in dem Gemälde, welches ein Fahrzeug in Nuth
vorstellt, ein Bild der entsetzlichsten Gefahr, mit Sonnenunter-
gang bei vollem Mondschein, was ganz und gar unmöglich ist.
Das unruhige Meer steht in getheilter Beleuchtung, blau von
Mondlicht und Nacht, und dazwischen schimmert das Gold der
untergegangenen Sunne._ Uebrigens ist Alles in Rissen und kraft-
vollen Pinselstrichen, ein Gegensatz deutscher Ausführlichkeit,
Gudin ist einer derjenigen französischen Maler, welchen in neu-
erer Zeit am meisten Claude Lorrain's Gefühl für Harmonie der
Töne inne zu wohnen scheint. Bei ihm findet man uugemeine
Iilarheit der Lüfte und Iiraft der Reflexe. Seine Statinge ist sinn-
reich evvählt, aber im Detail darf man in seinen Bildern keinen
deutscäien Flciss suchen, und die Biiume sind uft fast ohne alle
Form. In der Gesziinmtwirkung aber, und im Culorite sind seine
Bilder von hinreissender Schönheit, Im Palais royal sind einige
Gemälde von seiner Hand: eine Gebirgsgegend in wellenfür-
migen, sanften Linien; ein Seesturm, mehr eine Darstellung des
Elementes als der einzelnen Wogen in Form und Farbe, und
eines seiner neuesten Meisterwerke ist der Hafen von Neapel, mit
der hinter dem Vesuvhinuntersinkcnden Sonne, ein Bild von un-
gevvöhnlicheruHai-munie und Milde des Tones. Ein hqlgalniscligp
Hauch weht iäbervsreing Mondlztinälschliät bei Neapel, und die 51-0553
Sturmscene: er in stoss au' er ete von A] iei- im Luxem-
bourg, ist ein Meisterstiick in Darstellung des emgörtien Elenlenm
Noch schrecklicher. öfter ins Grasse iibergehend, ist sein Gemälde
mit der verschlagenen Barke. In allen seinen Werken wvaltet aber
grossartige, blühende Phantasie. Mehreres über diese Bilder S.
Iiunstblatt 1855 Nr. 105.
_Wie sich in Frankreich überhaupt selbst vorzügliche Künstler
mit der Lithographie beschäftigen, so ist dieses auch mit Gudin
der Fall". yVir erwähnen daher schließlich: