Grenze,
Baptist.
Johann
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Das erste Bild, das ihm grossen Beifall erwarb, stellt einen
Hausvater dar, wie er seinen Kindern die Bibel erklärt, gestochen
von lYIartenaise. Sehr schön ist sein sterbender Hausvater in der
kaiserlichen Eremitage zu St. Petersburg, bekannt unter dem Na-
man: la piete filiale; noch grösseren Ruhm aber machte ihm die
Darstellung, la pleureuse genannt. Es ist dieses ein junges Mäd-
chen, das einen Vogel beweint, von Diderot mit Geist und Witi
beschrieben. Im französischen Museum ist jenes Bild, welches
unter dem Namen der Malediction paternelle bekannt wurden?-
stochen von H. Gaillard und im Umriss im sechsten Band von e-
veils Musee. Dieses Bild trägt mit Unrecht den Namen; denn es
ist nicht des Vaters Fluch, sondern nur die gewaltige Entrüstung
desselben über den undankbaren Sohn. Der Künstler nannte es
bei der Ausstellung von 1765 auch wirklich: Fils ingrut, und "als,
Pendant dazu gab er den Fils puni, [t Sch. hoch, 5 Sch. breit.
Ein anderes Gemälde heisst man: 1a fiancde oder Paccordee de vil-
lage, ebenfalls im Musöe royal, und von Flipart gestochen. Die-
ses Bild stellte der Künstler 1761 zuerst aus und er nannte es da-
mals: un mariage et Pinstant ou le pere de Paccordee delivre la
dot s son gendre. Andere Bilder von Ruf sind: Pavengle trompä;
la bonne mere; le pere dänature; Ste. Marie egyptienne; In petite
fille au chien, nach Einigen das Meisterstiick des Künstlers; le
retour du chasseur; Penfant au capucin; la dame de charite; le
gäteau des rois; la iille honteuse; la bonne dducation; la paix du
menage; la cruche cassce; la benediction paternelle etc. Man hat
von Grenze nur ein einziges, nicht ganz gelungenes, historisches
Bild: Severus und sein Sohn Caracal a; alle übrigen sind' Genre-
stiicke und Portraite. Fast alle seine Werke wurden gestochen,
von Flipart, Massard, Vater und Sohn, etc. Heut zu Tage sind
diese Gemälde in verschiedenen Gallerien zerstreut.
Grenze hinterliess zahlreiche Werke, die den Produkten seines
Zeitgenossen Boucher gerade entgegenstehen, Er verletzte nie die
guten Sitten, und stets treuerBeobachter des Nationell -Eigenthiim-
liehen ist er auch immer geistreich, ein höchst schätzbarer Künst-
ler seiner Zeit. Er verstand es, correkt zu zeichnen und kräftig
zu coloriren, überschritt aber öfter die strenge Gränze der Natur
und wurde manierirt, in Zeichuuiig, wie in Färbung. Er hatte
nur eine reizende Manier. Seine ormen sind gewählt, und den
Köpfen wusste er Anmuth und treffenden Ausdruck zu verleihen,
der ganzen Compositiou Grazie und Zierlichkeit, bei aller Ein-
fachheit. Doch wiederholt er sich oft in den Physiognomien, da
er gewöhnlich seine schöne, sentimentale Frau zum Muster nahm.
Solcher Gestalten bedurfte er, da es bei ihm fast immer auf das
Rührende abgesehen war. Grenze hatte nnleugbare Verdienste, er
fand aber nie einstimmig das gebührende Lob. Mit der herrschen-
den Schule hat er nichts gemein.
Er war ein guter, edler Mann, der alle Schleichwege vermied.
Gegen die Damen war er ausserordeutlich galant, und geistreich,
wie er war, wusste er ihnen stets mit Anmuth viel Schönes zu sa-
gelj- Er fühlte seine eigene Ueberlegenheit, aber seine Eigenliebe
steigerte sich auch öfter bis zur Narrheit, was Abneigung und Vorent-
haltung der sonst als Künstler ihm gebührenden Achtung erzeugte.
Er war einer der frnchtbarsten Künstler, und es fehlte ihm auch
nicht an reichlichem Erwerb. Doch hatte ihn die Revolution und
häusliches Unglück seines bedeutenden Vermögens beraubt, und
als Greis musste er sich dürftig durch seine Arbeit fristen. Seinen
Zwei Töchtern hinterliess er nur das Andenken an seinen Ruhm.
Seine Gemälde werden nach immer sehr hoch gehalten, die
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