Eyck ,
Johann und
Hubert
van.
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Gebote standen. Jetzt miissen wir in seinen künstlerischen Cha-
raltter eingehen, und zeigen, auf welche Weise und mit welchem
Geiste er von jenen trefflichen Mitteln Gebrauch machte. Er be-
handelte gewöhnlich Gegenstände aus der heiligen Geschichte, und
unter diesen wählte er am liebsten die symbolischen, oder solche,
durch welche die wunderbarsten und gcheimnissvollsten Lehren
der christlichen Religion: als der Sündenfall, die Verheissungi die
Menschwerdung der Go heit und die Erlösung vorzugsweise aus-
gesprochen werden. Voß der Heiligkeit und tiefen Bedeutung-Sek
ner Vorwürfe gänzlich durchdrungen, ging alles Sinnen und TraCh-
ten Johann van Eyclifs darauf hin, sie auf das Wiirdigste darzu-
stellen, und es spricht sich in seinen Werken auch der reinste Er-
guss einer ruhigen, ächt religiösen Begeisterung aus. Die KQDSI
ist bei ihm mündig geworden, deutlich in den Ideen, rein ebyfß-
tiv. Er stellt uns die mannigfaltigsten Charaktere in den verschie-
densten Verhältnissen und Gemiithsbewegungen so lebendig dar,
er weiss ihnen ein so organisches Gepräge aufzudriicken, seine
Hauptpersonen sind so mit ganzer Seele bei der Sache, alle aber
sind so völlig unbefangen, haben auch so gar nicht das Ansehen,
als ob sie wüssten, dass sie gesehen werden und sich gerade so
zusammengestellt hätten, um gleichsam zu rcpräsentirem- dass es
vielmehr ist, als ob uns plötzlich der Vorhang von einer andern
Welt, während gerade die dargestellte Handlung vor sich geht, Weg-
gezogen würde, in welche wir hineinschauen, ohne dass dieselbe
etwas davon ahnte. Der Künstler, das Werkzeug, durch wel-
ches die Natur diese Gestalten hervorgebracht hat, tritt dabei so
zuriick, dass sie fast den Anschein haben, als ob sie unmittelbar
aus ihrer Hand hervorgegangen wären. Doch sind sie keine skla-
vischen Nachahmungen der Natur, sondern in einem hohen Grade
den Erfordernissen eines ächten Iiunstwcrkes entsprechend. DHPCh
van Eycls sind die Hauptcharalttere des neuen Testamentes, Christus,
Maria und Johannes der Täufer zur sinnlichen Anschauung gebracht
worden und ins Leben getreten. Alles ist bei ihm bis auf die klein-
sten Nebendinge im strengsten Dienste der Hauptsache und allein
von ihr bestimmt. Durch angig herrscht daher in seinen Bildern
geistlichen Inhalts ein, solchen Gegenständen angemessener, tiefer
Ernst; jede Bewegung ist gemässi et und über das Ganze eine ge-
wisse heilige Stille und Ruhe verbreitet. Doch machen diese Ge-
mälde keinen diistern Eindruck; der Ernst der Figuren wird viel-
mehr durch eine ausserordentlichc Heiterkeit in den Umgebungen
gemildert. Nächst den prächtigen, lebhaften Farben sind es beson-
ders seine Baulichlaeiten und seine Landschaften, welche jeüßjl Bli-
dern ein überaus helles, fröhliches Ansehen geben. Seine Kirchen
und Hiiuser sind getreu nach denen genommen, Weiche 91' zu 59b
ner Zeit in den niederländischen Städten sah. Einige der ersteru zei-
gen daher die neugriechische, andere diedeutsche, manche die
aus beiden gemischte Bauart. Die Hintergründe bilden meist weite
Aussichten, welche uns die Natur in ihrem Reichthum und in ih-
rer Mannigfaltigkeit zeigen.
Johann van Eyck hatte indessen nicht nur Sinn fiir würdige Auf-
fassung religiöser Gegenstände; er stellte auch Scenen aus dem ge-
wöhnlichen Leben dar. Facius und Vasari gedenken einer Bad-
Stübß, die Van Eyck mit uugemeiner Wahrheit darstellte, und de?
anonyme Reisende des Morelli erwähnt des Fanges einer Fischotter.
Selbst auf den Bildern religiösen Inhalts brachte der Künstler Oft
solche Episoden an, doch nie störend für die Hauptsache. Yen
Mander erzählt von einem kleinen Gemälde, welches die Bildnisse
eines Mannes und einer Frau zeigte, wie sie einander zur Trauung