zuerst die Regeln der Linien-Perspective geübt. Aber auch in der
Ialftpcrspelitive iibertrilft er die gleichzeitigen Italiener, doch ist
hierin seine Behandlung von jener der Spiiteren verschieden, we-
niger den Erscheinungen der Natur entsprechend, als bei diesen.
Er geht z. B. in einer Landschaft vom lebhaften und gesättigten
Grün des Vorgrundes nicht bis zum gebrochenen und gedämpften
Blau der Ferne, sondern er hiilt sich mehr in einer Locallarbe,
z. B. dem Griin, welches er nur unmerklich abdämgft, so dass es
auch weit im Hintergrunde noch von ziemlicher Sättigung ist; da-
bei treibt er durch die erstaunliche Glut und Pracht seiner Farben
im VQi-grunde, worin er es der Natur zuvorthut, dennoch seine
Fernen trefflich zurück. Die Farbenpracht seiner Gemälde lässt
sich nicht in Worten beschreiben, gegen sie erbleicht Paul Vero-
nese und alle Pracht der venetianischen Schule. Er malte mit mög-
lichster Vermeidung aller Erdfarben, griisstentheils nur mit Lack
oder durchsichtigen Saftfarben, auf einem feinen weissen Kreide.
grunde. Dieser schimmert durch die unlsörperlichen Farben durch,
und bringt etwas dem Effekt Aehnliches hervor, den die Silber-
gfolie hat, welche einige Miniaturmaler ihren auf Elfenbein sorgfäl-
tig ausgeführten Bildern, unterzulegen pflegen. Der Purpur, das
Blau der Gewänder, die Helle des Himmels, das Grüne der Pflan-
zenwelt, das Gold der Stickereien und Kleinode, die schimmern-
den Waffen, strahlen in iiberirdischenx Glanze.
Der griinzenlose Raum, mit allem, was darin bliihet, athmet und
lebt, war zwar von Johann van Eyck für das Gebiet der Iiunst
errungen, aber er fühlte das Unzulängliche der technischen Mittel,
das Widerstreben des todten Stoffes bei der Ausführung seiner Ge-
bilde. Die vor seiner Zeit in Deutschland, so wie in Italien, üb-
liche Tempera-Malerei, zu welcher die Farben mit Eigelb und
aus Pergamentsch-nitzeln gekochtem Leim gemischt wurden, ent-
behrte einer gewissen Lebhaftigkeit und Verschmelzung der Far-
ben, ebenso der gehörigen Haltbarkeit, und den kunstreichen Brii-
dern van Eyclt musste daher vor allem daran gelegen seyn, sich
in den Besitz eines Mittels zu setzen, das diese Hindernisse be-
seitige. Dieses Mittel lag in der zweckniässigen Mischung der Far-
ben, wobei sich nach vielfältigen Versuchen erprobte, dass Oel
hiezu am tauglichsten sei. Johann van Eyclt brachte diese Versu-
che zu einem so glücklichen Resultate, wie kein anderer; und dess-
wegen hat man ihn sogar für den eigentlichen Erfinder der Oel-
nia erei ausgegeben, was noch Nlernnee in seiner 1830 zu Paris er-
schienenenSchrift: de la peinture äYhuile etc. behauptet, ohne gerade
die Einwürfe zu widerlegen, welche ihm gemacht wurden. Man baute
immer nur auf die Autorität des Vasari, welcher die älteste Nach-
richt beibringt, die dem Johann van Eyck diese Erfindung zu-
schreibt. Indessen Wurden schon lange vor diesem Künstler ver-
ischiedene Versuche in Bereitung der Farben gemacht, und zwar
schon im 10. oder 11. Jahrhunderte; denn in einem Manuskripte
des lVIönches Theophilns, welches dieser Zeit angehöret, und das
vollständig zuerst im Jahre 1781 im VI. Bande der Beiträge zur
Geschichte und Literatur von Lessing erschien, finden wir schon
neben andern Recepten zur Farbenbercitung auch einelAnweisung,
wie man sich des Leinöls zum Malen bedienen könne. Es müssen
also schon zur Zeit des Theophilus Versuche mit dem Leinöl ge-
macht worden seyn, doch konnten sie zu keinem glücklichen He-
sultate führen; denn der lYIönch sagt nicht, dass das Oel vor dem
Gebrauche am Feuer gekocht, oder wenigstens lange der Sonnen-
hitze ausgestellt werden musse, e" fillgt m" bel, dass man das Gemalte
an der Sonne troclaixcia lassen iuusse, bevor man die Stelle wieder