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Cornelixxs,
Peter,
Bitter
hart sich durchaus in den Werken unsers Meisters. Es findet sich
schon ein deutlicher Unterschied des Styls zwischen dem Bilder-
lcyclus aus Faust, der uns durch PiuschewveyHs Stich bekannt ist,
und jenem aus den Nicbelungen, ebenfalls frühere Erlßugnisee des
Künstlers, die Lips und Ritter in liupfer gebracht haben. Etwas
ganz neues tritt uns in der Glyptothek vor den Blick, und auch
seine Cartons für die Ludwigskirche zu München beweisen, dass
der jedesmalige Stotliidie veränderte Form bedingt hat.
Mit unbefangenem Streben nach Wahrheit betrat Cornelius 1811
Italien, wo jetzt auch Overbeclüs verwandter Geist volle Nahrung
fand. Beide Meister erkannten hier das ewige unwandelhape (je-
setz der VVahrheit, die _auf jedem Boden, wenn auch unter andern
EjggnthiimllCltkelien, dieselbe bleibt. Die altcleutsche Schule ist
ihrem geistigen Gehalte nach mit der alt-italienischen innigst ver-
sehwistert, von ihrem Beginne an bis zur höchsten Ausbildung,
und daher mussten sich jetzt beide Künstler besonders auch zu den
Werken der älteren Epoche hingezogen fühlen; aber im Angesiehte
der hohen Meisterwerke, welche llozn ihnen bot, erkannten sie zu-
gleich auch die reinern Verhältnisse der iiussern Form und die Be-
trachtung der VVerke Masaccids, RafaePs und Buonarottzfs ver-
edelte ihren Geschmack, führte sie zur Correktheit des Styls, miis-
sigte die Strenge der Umrisse, und erzeugte Aninuth in der freie-
ren Bewegung.
Cornelius hatte sich zwar schon in Deutschland vortheilhaft be-
kannt gemacht, aber doch beginnt die eigentliche Publieität sei-
nes Rufes erst mit seiner Ausbildungsperiode in Italien. Mehrere
ausgezeichnete Cartons, und namentlich die zu den Fresken, so
wie deren Ausführung im Hause Bartholdy sind es, die über seinen
Iiünstlerwerth allgemein entschieden und seinen Ruf begründet ha-
ben. Die Frescoinalereien in der Villa des verstorbenen General-
consuls Bartholdy, auf Trinitä de Monti, bestehen in Darstellun-
gen aus der Geschichte Joseph's, die Cornelius mit Overbecli, Ph.
Veith und W. Schaduw austührte. Hier sieht man, wie diese Mei-
ster, jeder nach dem lWIaasse seiner Individualität, sich in ihrem
Streben durch freie Betrachtung der Werke jener älter-n Schulen
erkräftiget haben. Dieser Moment ist für die Malerei in Rom be-
deutend. Die Frescomalerei war seit Mengs in dieser Stadt ganz
in Vergessenheit gerathen, und es war daher deutschcn Meistern
vorbehalten, in diesen herrlichen Darstellungen von Comelius
in der Traumdeiitung Joseph's-x und in der Erkennungsscene der
Brüder zuerst auf eine grossere Weise ihre geniale Iii-aft zu
äussern, und zugleich in diesen Bildern den glücklichen Anfang
der wieder ins Leben gerufenen Frescoinalerci zu bezeichnen.
Alle diese Meister strebten auf demselben Wege nach dem ge-
meinsanien Ziele, doch jeder auf seineeigene VVeise dem Wesen
der Kunst nach, vor allein in charakteristischer Wahrheit des Aus-
drucks, und in verstandiger Gruppirung im ernsten Style miuehg
strenger Führung _der Umrisse. Auch Anatomie, richtigg Zeich-
nung und Verhaltniss treten ilanebenuiin erfreulichen Lichte hervor.
Cornelius verbindet mit diesen _Vorzugen noch den grüssten Reich-
thum einer originellen Phantasie, schopferische Fülle der Erfindung
und die höchste Iiraft des Ausdruckes. Er ist vorzüglich für Dar-
stellungen von ernstein Inhalte mit zusammenhängender Durchfüh-
rung eines grossen Ganzen; er duffhdringt die Geschichte und die
Natur in allen Richtungen, das M-ißhlllgß und Grosse in der Cha-
rakteristik erfassend, so wie auch das Gütige und Liebevolle. Bei
ihm nehmen wir durchgreifende Individualität Wahr. Diese Vorzüge
werden dem Gornelius allgemein eingeräumt.