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Cornelius , Peter ,
Bitter
theilweise überwunden, und zwar auch in der Hölle nur physisch
gebunden, aber nicht moralisch aufgehoben und unterdrückt sei.
Allein der Beruf der Menschwerdung und des Versöhnuiigstodes
ist dadurch nicht erfüllt. Christus war ausgegangen, die Welt des
'I'eufels zu zerstören und das Reich der Finsterniss aufzulösen.
Diese Ildee muss festgehalten werden, denn hierin liegt der Zweck
seines Todes und sie ist auch in der Darstellung ausgesprochen,
wenn wir in ihr den endlichen Triumph des Lichtes über die Fin-
sterniss erkennen. Die unendliche Gnade des Erlösers hat den Pro-
zess der moralischen VVclt entschieden und die finstere lYIasse ist
nur noch symbolisch dargestellt, das Reich des Bösen liegt in sei-
Ilßn Triinlllwfll, Olmliläßlllig Sitzt derJ-Fürst der Hölle auf densel-
ben und vergebens ist das Mühen des Lasters.
An dem Gewölbe der Decke erscheint Gott der Vater umgeben
von den Chören der Engel, gleichsam als die Fortsetzung des Him-
mels im jüngsten Gerichte. Auch die Gemeinschaft der Heiligen
durch den Geist ist oben dargestellt, und damit schliesst das Ganze.
Es ist dieses die Vereinigung des geistigen Wesens der Menschheit
mit dem ewigen Geiste.
Wir begleiten nun den Meister in den äussern Corridnr der Pi-
nakothek zu Blümchen, in welchem wir an die vatikanischen Log-
gien erinnert werden, wenn wir auch Rom, die Cainpagna und
das Albanergebirg durch offene Hallen nicht erblicken.
Das Wiederautblühen der Kunst im Mittelalter bildet einen der
allerreichsten Abschnitte in der Geschichte des Menschengeistes.
VVir treten gleichsam in einen Garten, den eine Weltfriihlings-
kraft mit köstlichen und mannichfachen Blüthen geschmückt; umge-
ben von allein Schönen, erhoben zu allein Grossen, zieht uns das
Liebliche bald da, bald dorthin, und je weiter wir gehen, je mehr
sehen wir, dass ein neues Biindniss zwischen Geist und Natur ge-
schlossen ist, aus welchem all dieses Herrliche hervorgegangen.
Diese reichbeglückte Zeit uns in Idildern Norzuführen, war die
schöne Aufgabe, welche nach des Iiönigs Auftrag Cornelius zu lö-
sen überndnimen. Hier gilt es das eigenste Wesen der neuern
Kunst, das Erfassen eines Gegenstandes als Totalitiit. Copnelins
bewegt sich hier in einem freien Gebiete der Dichtkunst, doch
lieferte er nur die Skizzen, die Ausführung der Zeichnungen wurde
von Professor Zimmermann und unter dessen Leitung besorgt.
In der ersten Loggia sehen wir als Grundlage der mittelalterli-
chen liunst das kirchlich religiöse Leben bezeichnet. VVir erbli-
cken desshalb in der Mitte der Kuppel den Bund der Kirche mit
den Künsten. Die liirche ist abgebildet als eine Jungfrau auf VVol-
ken sitzend, umgehen von den Iiiinsten; ihr Haupt, über Welchem
das Symbol des heiligen Geistes schwebt, ist mit der Dornenkrone
ge5eh1niiclit,_ilire erhobene Rechte hält das Kreuz, ihre Linke ruht,
als nehme sie dieselbe in besondern Schutz, auf dein Haupt einer
Jungfrau, die zu lllfßtl. Fusseii inil._ Pinsel und Palette als Nlalerei
sich kenntlich macht; uber ihr greift eine andere Jungfrau in die
Saiten der Ilarfe, die Iiunst des Gesanges (in_ doppelter Bedeu-
tung) zu bezeichnen. An der rechten Seite kniet die Bildhauerei
mit Hammer und Meissel, und die Baukunst mit der Setzwage.
Ein liranz von Cherubiinlsöpfchen uiuschliesst das runde Bild. Vier
Bilder, ins Iireuz gestellt, zwischen den vier evangelischen Zei-
chen und Arabesken in Stucco, fiillen den übrigen Baum der Iiup-
pel. VVir sehen den liönig Saloiiion, wie ihin das Modell vom
'l'enipel überreicht wird; David mit der Harfe in Gesellschaft von
Engeln als den Dichter und Sänger heiliger Lieder, Lukas an der