Cornelius ,
Peter ,
Bitter
VOIl.
Kreuze näher treten, wächst auch ihre Bedeutung; sie bilden von
den Iiriegslanechten aufwärts einen Triumphzug des Christenthunis,
der sich blos in der Absicht zu biegen und zu strecken scheint,
um die Pracht der VVirknng zu verstärken. Die Hauptfiguren er-
scheinen aiif Russen, im Angesichte des Kreuzes ein Inbegriff rö-
mischer Grösse. Longinus mit der Lanze, dem Iireuze der Nächste,
beschliesst die Reihe der Pionier und eingeschlossen sind die Be-
kenner Christi aus seinem eigenen Volke, theilweise in einem en-
gern Iireis zusai-nmengeordnet.
So wie in der VVelt nichts vollkommen erscheint, so erhob sich
auch gegen diese ausgezeichnete Coinposition die Stimme der Critili.
Der Liieblingsjiingcr Johannes zur Linken stehe zwischen zwei hei-
ligen Frauen ohne eiivgere Verbindung, rein auf sich selbst heru-
henil. An dem antiliisirten Johannes scheiterte aber selbst der grosse
Leonardo da Vinci, und dieser Johannes scheint bei der Mehrzahl
der spätere Künstler bis uufndiesen Tag typisch, ja fast unveflßtz-
lich geworden zu seyn, wofur ihn auch die gegenwärtige Darstel-
lung erlaliirt. Die Vermischung des Antiken und Christlichen sei
in dem Iiopfe und der ganzen Erscheinung des Johannes empfind-
lich. Da die Vorstellung schlechterdings jeden antiliisirten Chri-
stus von sich weise, so striiube sie sich aus ähnlichem Grunde aufs
Heftigste gegen jeden aniikisii-ten Johannes; sie verlange durchaus
von dem Lieblingsjiinger irgend etwas von dem Abglaiize des Mei-
sters, sei es noch so bescheiden, so bedingt ausgedruckt, um davon
auf die Innigkcit des beiderseitigen Verhältnisses zuriickzuschliessen.
iDie Critih stellt indessen dem Künstler hier eine grosse Aufgabe,
die Aufstellung eines neues Johannes Ideals an die Stelle des bis-
her typischen.
Höchst erfreulich ist dagegen der Anblick der in griinzenloser
Eingebung aufgelösten, schönen weiblichen Gestalt zur linken
Seite des Jüngers, und auch die Umrisse des zugewendeten Hör-
pers der Magdalena, die in schlechthin nothwendiger Stellung das
Kreuz umarmt, weisen auf jene Schönheit hin, die Magdalenens
Verderben war. Auch zieht die Gruppe von drei Frauen, in der
Mitte Maria, Herz und Augen mit unwiderstehlicher Gewalt an
sich. Mariens Schmerz ist ein hocheigentliiiiiilicher, er versinkt
mit unbeschreiblicher Fassung in die Tiefe eines unergriiiiqllighen
Geilanlienineeres, und scheint den gegenwärtigen Moment, entfes-
selt von allem Irdischen, bis zurn Umfang, zum Stoff der Ewielieit
zu erweitern. Das Ausserordentliche, völlig Unmessbare delüliareu-
zigung spiegelt sich auf Mariens Anhtz in einer Art von Conteni-
Plation ab, die, wie es anfadei] ßfätßllnßllßli scheint, die unmittel-
baren Bewegungen des Gefuhls schon uberwundeu hat, aber eben
dadurch alle vorhergegangenen Zrvischenzustände desselben in dem
äussersten Punkt vereinigt undfhesennin die Ferne einer geistigen
Beleuchtung hinaus verlegt._ Sie gewahrt daher den Anblick einer
christlichen Schnierzeusheliliii, fllß {wCb eine grüssei-e Iiraft des
Eindruckes üben wurde, waire ihr die Schonhcit und Jugend der
jungfräiuliehcn Muttenzu Hilfe gekommen.
zur Linken. Marias steht eine Trosterin, die der Himmel
selbst hergesendet zu haben scheint, so zart besorgt, so herzlich
tlieilnehiiiend, so fromm bewegt 1st leder Thell IhPCS Daseins u.id
ihres Wirkens, vor. allein der Ausdruck schonender Annäherung.
Es ist die christliche Pietas in deinuthiger Entfernung, von welcher
sich die andere Leidensgelahrtin Mama's durch die griissere Frei-
heit, mit welcher sie ihrem Gefuhle nachhiingt, unterscheidet,
Sie kostet bei aller Liebenswiirdiglteit der Gesichtszüge und des
edlen Hauptes den Schmerz bis auf den letzten Tropfen.