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Carracci ,
Augustin.
stachen, und selbst mit dem Grahstichcl den rohen Vortrag der ra-
direnden Nadel nnehahmten. Augustin hatte das Gliicls, in der
Zeit der Verdurbenheit des Styls Lehrer zu finden, welche zivar
den aus RathePs Schule hervorgegangenen sich nicht gleichstcllen
konnten, allein doch noch eine Ahnung von innerer Grösse in der
Zeichnung bewahrten. Prospero Fontana war, wie, oben gesagt,
sein Lehrer in der Malerei, und als Iiupferstecher war es für ihn
ein grosser Vortheil, dass er mit dem (iraviren durch die Gold-'
schmiedslzunst vertraut geworden, durch B. Passerotti aber in der
Federzeichnung, welche genaue Schrafiirung erfordert, geübt war.
Der Niederländer C. Cort machte ihn mit den Idortschritten der
Iiupferstecherkunst Bekannt, welche diese jenseits der Alpen ge-
macht hatte, und zu besonderem Vortheile gereichte ihm auch der
Umstand, dass er bei dem Bildhauer Miuganti im Modelliren ge-
übt worden war. So lief er nicht Gefahr, die Form aus den Augen
zu verlieren, indem er dem festen, gewandten und lillDSliPClCltCIl
Stiche der Niederländer folgte; vielmehr tand er die richtige An-
wendung auf Form, jene zur volllionnneneii 'I'echuik ausgebildete
Strichmethode und insofern steht er selbst über Golzius, deni er
sich oft nähert, dass er stets die Technik des Stiches als Mittel
behandelte, und nie als hlusse Virtuosität an sich hervortreten liess,
sondern sie den Zwecken der Kunst unterwarf. Er stach nicht,
um sich als grosser Stecher zu zeigen, sondern als darstellender
Künstler.
Augustin Carracci war in Bezug auf Italien WlPliliCll als der Schö-
pfer derneuen Stichmethode zu betrachten, da die lWIarc-Antunitf-
sehe Schule ausschliesslich auf Form hinarbeitete, und die ein-
fachste Lixlienverbinclnng hinreichte, fklrblose Zeichnungen und
Skizzen nachzuahmen, die späteren Mauieristcn und die lYIaler
hingegen in der wilden Arbeit des llatlirens einen Ruhm suchten.
Durch die Ausbildung des Scl-iraflirens, ihrer Strichlagenverbindun-
gen und durch die Uebung, die Striche selbst auf das mannigfal-
tigste nach den Erfordernissen des Gegenstandes, welcher gestochen
werden S011, zu beugen und zu schwingen, erweiterte sich der
Kreis der Wirksamkeit und Aufgaben für die IiuPlerstecherhunst.
Obwohl Augustin nicht völlig freizuspreehen ist, dass auch er in
der Wahl Seiner Vorbilder oft dem GCSClIIIIQCliG seiner Zeit friihnte,
nach höchst nianierirtexi Meistern stach und sittenlosc Gegenstände
wählte, so trilft dieser Tadel doch nur den kleinsten Theil dieser
Arbeiten, und vielleicht trägt er nicht allein diese Schuld, indem
unter seinem Namen viele Blätter in die Welt ausgegangen sind,
welche von Anderen gestochen wurden. Auch muss man unter
CarraccPs VVerken selbst diejenigen, auf welche sein früherer Mei-
ster der Kupferstechcrltunst, Duin. Tibaltli, Einfluss hatte, von den
späteren Arbeiten unterscheiden, welche in der niederländischen
Stichmethude ausgeführt, und mehr seine freie Wahl sind. Augu-
stixfs trelflichste Blätter sind nach Tintorettu, Correggio und seinen
eigenen Erfindungen. Quandt Entwurf einer Gesch. der Iiupfer-
stecherkunst, S. 209 B".
Zu den gesuchtesteu Werken gehören:
Die grosse Kreuzigung, nach Tintoretto, 158g. H. 18 Z. 6 L.
mit dem Bande, Br. Z.
Dieses aus 5 Platten bestehende Capitalblatt wurde bei St. Yves
um 69, und bei Durand um 200 Fr. erstanden; in Deutschland
galt es bei Versteigerungen 4, 6 und 10 Rthl.
Aeneas und Anchises, nach Baroccio; 1595. H. 14 Z. 2 L., Br.
19 Z.