Volltext: Börner - Cleoetas (Bd. 2)

Carracci , 
Hannibal. 
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min Manieren auf eine tretfliche Weise in höherem Grade als ir- 
gend einer seiner Zeitgenossen. 
ln Rom erwarb also Annibale neben seinen übrigen Verdiensten 
auch jenes der reinen-Zeichnung, und die Schüler, welche ihm 
folgten und nach seinem Tode in dieser Stadt noch fortarbeiteten, 
zeichnen sich besonders dadurch vo'r denen, die in Bologna unter 
seines Vetters Ludwig Leitung blieben, aus. Ueberhaupt ist Anni- 
bale unter den Carracci in der Zeichnung am meisten für classisch 
ängesehen werden. VVenn man auf die Richtigkeit sieht, so diirfte 
Hannibal hierin selbst vor liafael den Vorzug behaupten. Denn 
man wird vielleicht mehr bei diesem, als bei jenem, einzelne Un- 
Yichtigkeiteix aufiinden können. Um so mehr aber übertrifft Rafael 
unsern liiinstler an Schönheit, Anmuth, Leben und Mannigfaltig- 
lieit des Charakters und überhaupt in der höhern und Positiven 
Vollkommenheit der Zeichnung. Dabei ist noch zu bemerken, dass 
Rafael nach lebendigem Ausdruck der Handlung strebte, und dem 
zufolge iifter veranlasst war, Bewegungen zu zeigen, die nur im  
Moment des Ucbcrgehens eines Zustandes des menschlichen Hör- 
pßrs in einen andern erscheinen und die daher nur durch Einbil- 
dungskraft und Beobachtung der Natur an den flüchtigen Momen- 
ten ihrer Veriintlerungen aufgefasst werden können. Aus diesem 
Grunde musste es dem Rafael weit schwerer seyn, in der Zeichnung 
immer vollkommene Richtigkeit zu beobachten, als dem Carracci, 
dem, weil er jenen Ausdruck der Handlung ungleich weniger be- 
absichtigte, das akademische" NIodell weit besser als jenem zum 
Vorbilde der Stellungen seiner Figuren dienen konnte. 
Die nackten Formen dieses Künstlers zeigen einen nach guten 
Mustern gebildeten, aber dabei einförmigeil Typits, der durch einen 
IP- abstrakten und gewissermassen conventionellen Charakter, mehr 
einen richtigen Canon der menschlichen Gestalt, als einen wahr- 
hafl: lebendigen BegrilT derselben gewährt. Bei gründlicher Kennt- 
mss der Anatomie und richtiger Andeutdng der Dduskelxi mangelt 
das feinere und gefällige Spiel ClßrS-Elhen, welches man in der Natur 
bemerkt und wodurch sich das inwohnende Leben vornehmlich zu. 
erkennen gibt. Carraccis' Styl Erillllßrt Wegen dieser Eigenschaft an 
den gewöhnlichen Charakter der antiken Statuen aus der römi- 
schen Zeit. Auch wegen seiner Grnssheit dürfte er nicht zu sehr 
gßprißsgn werden, wie (licses geschehen ist. Seine Figuren Zeigen 
Wohl grosse lWIassen und Ausdruck von Kraft, aber lteineswegs das 
Gepräge von Geisteshoheit, wie die Gestalten des Michel Angele 
Älml insbesondere die Propheten und Sibyllcn desselben. Auch 
opferte er wenig den Grazien, was man besonders in den weibli- 
chen Figuren vermisst. 
Hannibal kann eigentlich der Maler des Hauses Farnese genannt 
lielfdßn, denn hier hinterliess er mit Ludovico und Agostiilu und 
emlgen Sfrltiilern ein umfassendes Werk, welches wohl den hoch- 
Stellßegrill" von dem Iiunstverdienst der Carracci geben kann. Hier 
scbelnen Sie in der Frfindung sowohl, die grösstcutheils dem Ago- 
äfmo angehören soll, wie in der Ausführung das Edelstc und Beste 
11"" Art erreicht zu haben. ÄIVCIHJ gleich die ganze Anordnung 
21er Decke Clßr fixtinisehen Capelle nachgeahmt ist, so ist doch 
er Gedanke glucklich durchgeführt, und man findet weder die 
upedlell Flßuren, noch die willkiihrliehen, im Haschcn nach Ori- 
gvljlülllat erdachten Compusitionen, noch den Mangel an Gesammt- 
"lrlfnng der Nlassen, Fehler, die so häufig in ihren grossen Oel- 
äemilltlell Sllltrßn. Es fehlte auch nie an Lobpreisung dieser Wer- 
ev 11114 ßS 1st Wahr, man findet hier in manchem Bilde eine die- 
lvaglßr S luinsller-Lex, II. Bd. 25
	        
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