Volltext: Börner - Cleoetas (Bd. 2)

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Carracci , 
Hannibal. 
Die bei]. Jungfrau und St. Joseph unter einem Bo en, das ein' 
zige eng gestrichene Blatt Ludwi s. H. 9 Z. 10 i" Br. 12 Z- 
Mariä wäscht und Jesus und Joseph helfen ihr. H. 6 Z. 10 IM! 
Br. 5 Z. 8 L. 
Dieses Blatt gehört der Composition nach sicher dem Ludovißü 
an, aber Einige glauben nicht, dass er selbst es auch gestochen 
habe; Bartsch jedoch hält es für das Werk unsers Künstlers. 
Carracel, Hannlbal, Maler, geb. zu Bologna 1560, gest. zu Rom 
160g. Dieser Künstler, der als Hauptstifter der neuen Weise zu 
studiren anzusehen ist, war eines Schneiders Sohn, aber auch die 
Ausübung einer edlen Kunst vermochte nicht, ihn über seine Her- 
kunft zu erheben. Anstatt dass Rafael, Michel Angele und andere 
ältere grosse Künstler mit den ausgezeichnetsten Personen ihrer 
Zeit und Nation in genauer Verbindung standen, gefiel sich Hanni- 
bal nur im Uxngange mit gemeinen ungebildeten Leuten. Nur bei 
Compositionen, die, wie die mythologischen Gegenstände der far- 
nesischen Gallerie, einige wissenschaftliche Kenntnisse erforderten, 
war er genöthiget, sich des Beistandes seines Bruders Agostino und 
anderer unterrichteter Männer zu bedienen. Im übrigen waren ihm 
Gelehrte und das wissenschaftliche Streben die Zielscheibe seines 
Witzes, und besonders auch sein Bruder. 
Seinen Bruder liebte er zwar innig, aber dennoch konnte Han- 
nibaPs ungleicher Charakter die Funken des Neides nicht unter- 
drücken, so dass  allen Intriguen und Schmiihungen ihrer Zeit- 
genossen die Uneinigkeit unter den Brüdern fortdauerte. 
"Annibale begann seine künstlerischen Studien unter der Leitung 
seines Vetters Ludwig, bis er 1580 nach Parma ging, um Correggio 
kennen zu lernen. Hier studirte er drei Jahre die Werkeidieses 
Meisters. Er copirte mit Agostino dessen Gemälde in der abgeris- 
senen alten Tribune des Domes zu Parma, Bilder, die zu Lanzi's 
Zeit auf Capo di Monte waren, jetzt aber in Neapel sind. So machte 
er sich Correggirfs Styl immer {mehr zueigen, der auch dann noch 
die Überhand behielt, als er zu Venedig Titian studirte, denn man 
findet in seinen Arbeiten aus dieser Zeit kaum einen Anklang an 
Titian's Werke. Besonders sprachen ihn jedoch die Gemälde Paul 
Veronese's an, deren Farbenpracht Sein durch Correggio musika- 
lisch gestimmtes Gemiith begeisterten; doch behielt die Tiefe Alle- 
gri's über den Glanz des Paolo die Oberhaupt. 
l-Iannibal hatte sich bereits seinen Styl gebildet, als er nicht lange 
vor 1600 auf Einladung des Cardinal Farnese nach Rom kam. Dieser 
sein bisheriger Styl hatte nichts zu wünschen übrig gelassen, als einen 
durch das Studium der Antike geläuterten Geschmack. Er studirte 
nun besonders die Antike, doch auch Michael Angelds und Balaefs 
Werke zogen ihn an, und jetzt waren die früheren Eindrücke von 
Correggio und Paolo wie verwischt. Er sah ein, dass die Kunst 
ausser der Farbe, dem Helldunkel und der Harmonie noch andere 
Seiten habe, Ideal und Form. Je mehr er nun in diesen Studien 
Fortschritte machte, desto mehr scheint er von Seite des Maleri- 
sehen wieder verloren zu haben. Uebrigens hat er seine früheren 
Studien in der Lombardei und Venedig nicht ganz vergessen; denn 
in seinem Gregorius in Verzückung von Engeln umgeben, ehedem 
in der Capelle Salviati zu S. Gregorio Magno, und die Pieta, ehe- 
dem in der Kirche S. Francesco a Ripa zu Rom, vereinigen sich 
seine iiiiheren Studien mit den später gemachten aufs lierrlichste. 
Uebrigens ist zu bemerken, dass Hannibal als Nachahmer seine 
Vorbilder keineswegs erreichte, aber er vereinigte ihre verschiede- 
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