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Canova ,
Antonio.
begonnen, aber spätere wichtige Arbeiten verzögerten die Vollen-
dung, welche endlich 1819 erfolgte. Das Werk ist in carrarischeln
Marmor ausgeführt und gehört sicher zu den bedeutendsten Schö-
fungen des unsterblichen Meisters. Theseus ist in dem Augen-
blicke dargestellt, wo er den Centaur zu Boden geschleudert hat,
und nun die Keule schwingt, ihn vollends zu tödten, während die
linke Hand schon die Kehle des Ungeheuers zusammenpresst. Ueber
diese Gruppe wölbt sich ein getreues Abbild des 'I'heseums zu Athen,
ein dieser herrlichen Schöpfung wiirdiges Gebäude.
Gross war der Ruhm, den ihm seine Werke bereiteten, aber
schade nur, dass er den mit seinem Theseus betretenen VVeg nicht
verfolgte; bald darauf gab er in der Psyche mit dem fliegenden
Amor das Beispiel einer malerischen Vorstellung in Marmor, ent-
fernte sich wieder vom Geschmacke der Alten und bewies, dass
sein Genie noch mehr für die Malerei, als für die Plastik geeignet
war. Von dieser Zeit an steht er schon nicht mehr neben Thor-
waldsen, den er übrigens im Basrelief nie erreichte. Letzterer ver-
bindet das Feuer, welches unter der Hand des Bildhauers der Ma-
terie das Leben giebt, mit dem strengen Style der Alten und mit
einem seltenen Reichthume von Ideen und Gestalten, der erhobe-
nen Arbeiten den grüssten Reiz gibt und sich da vorziliglich ent-
wickelt. Diese Vorzüge fehlten Canova, der zu sehr an dem Male-
rischen und VVeichlichen hing. Dennoch trug man kein Bedenken,
ihn nicht nur über alle Bildhauer der Neueren zu erheben, son-
dern ihn sogar mit den grössten Meistern der Alten zu vergleichen.
Er genoss daher die Ehre, seine Arbeiten neben den Denkmälern
des Alterthumes im vatikanischen Museum aufgestellt zu sehen, und
man glaubte in der That, durch seinen Perseus den Verlust des
von den Franzosen weggenommenen Apollo von Belvedere zu er-
setzen. Von dieser Meinung ist man freilich sehr bald zurückge-
kommen, und Canova überlebte zum Theile selbst seinen Ruf, da
er in Thorwaldsen einen Nebenbuhler fand, mit dem er die Ver-
gleichung, wenigstens bei Iiennern, nicht aushalten konnte. Die-
ser nordische Phidias zog auch schon anfangs die Aufmerksamkeit
Canovafs auf sich. Von dessen erster Statue, dem herrlichen Jasoxi,
sagte er: „Quest' opera di quel Giovane Danese e fatta in uno
stilo nuovo e grandiose."
Canova war sehr geachtet und von Königen und Kaisern reich-
lieh beschäftiget. Im Jahre 179g reiste er nach Oesterreich und
Preussen, und 1802 rief ihn der erste Consul nach Frankreich. Na-
poleon hielt ihn immer in hohen Ehren und gestattete diesem
Iiiinstler fast allein die Ehre, ihn abzubilden. Schon damals nahm
ihn die Pariser Akademie der Iiiinste zum Mitglied auf. Im Jahre
1815 kam er zum zweitenmale nach Paris um die reklamirten Iiunst-
schätze abzuholen. Bei dieser Gelegenheit verlieh ihm der Pabst
den Charakter eines Gesandten. Nach Vollendung seines Geschäf-
tes begab er sich nach England, wo ihm der Prinz Regent eine
mit Brillanten reich besetzte Dose verehrte. Bei seiner Riickkunft
nach Rom empfing ihn die Akademie von St. Lucas feierlich; der
Pabst gab ihm den Titel eines Präfekten der schönen Iiiinste, und
ernannte ihn zum Marquis von Ischia mit einem jährlichen Ehren-
gehalte von 1000 römischen Thalern. Im Jahre 1816 wurde sein
Name in das goldene Buch vom Capitol eingetragen, eine höchst
seltene Auszeichnung, die nur um die Stadt Rom hochverdienten
Männern gebührt.
So hoch Canova als Künstler steht, so ragt er doch durch seine
edlen Handlungen noch mehr als Mensch hervor. Er verschaffte
in Rom einer beträchtlichen Zahl von Familien Unterhalt, und