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Callot,
Jakob.
diejenigen, welche sich dem profanen Gebiete bewegen. Hier
aber ist er ganz eigentlich zu Hause, und das Charakteristische
seines Genius, Humor, Iieckheit, Spott, Ironie, selbst ein reich-
licher Zusatz von Bizarrerie, und vom Gespenster- und Dämonen-
artigen leuchten überall hervor. Darum hat auch unter den Neuem
Niemand mehr Aehnlichkeit und Geistesverwvandtschalt mit ihm,
als der geistreiche Iloffinann. Er hatte ihn gleichsam reproduzirt,
wie nicht allein seine Phantasiestiiclse in (IalloFsManier beurkun-
den, sondern auch die ergötzliche Deutung mehrerer Callot'schen
Zeiehnuilgen in dem in bunten, magischen Gestalten wunderbar
voriiberrauschentlcn Miihrchen, Prinzessin Brambilla, bei welchem
er seine flüchtigen Gedanken, gleich Callot, hingeworfen hat.
Jakob Callolfs Familie gehörte zu den vornehmsten Ge-
schlechtern der Stadt Nancy; sein Grossvater, Claude Callot,
wurde 1584 in den Adelstand erhoben. Sein Vater, Johann,
war zuletzt Wappenherolti des Herzogs von Lothringen. Schon
frühzeitig entwickelte sich in dem Knaben Lust und Talent
fiir die zeichnenden Künste, und wie ein verwandter Geist,
Hogarth, als Iinabc schon seine Studien zu seinen carrikirten Ge-
stalten auf den Nägeln seiner Finger fortsetzte, weil die Abkonter-
fciung auf Papier in den gemeinstcn und niedrigsten Schenkstu-
hen dem armen Künstler bisweilen arge Schläge von denjenigen
zugezogen hatte, u-elche an dieser nur zu wahren Verewigung
durch seinen Griffel kein Behagen fanden, so machte auch unser
Callot seine Schreib- und Schulbücher zum Tunnnelplatze seines
Talents, und legte auf allen leeren Räumen in denselben Galle-
rien seiner kecken und humoristischen Gestalten an. Häufig ent-
zog er sich den friililichen Spielen der Iiindheit, um nur seiner
Lust am Zeichnen ungestört nachhängen zu können, und wie Ita-
faePs Genius zuerst an der Mauer des väterlichen Hauses leuchtend
bei-vertrat, so waren auch diese Schöpfungen Blitze und Uebun-
gen seines Genius, welche das ex ungue leonem ganz unzweideu-
tig bestätigten. Bei diesem glühenden Eifer für die zeichnenden
Iiiinste fiiltlte sich Callot von dem hohen Rubine der ital. Itiunst,
welche damals auch Frankreich durchleuchtet hat, besonders mäch-
tig ergriffen, dass der VVunsch, Rom und die ital. Kunstwerke zu
sehen und sich nach ihnen zu bilden, seines ganzen Wesens sich
lveiniichtigte, obgleich Niemand in seinen Werken der ital. linnst
mehr fremd geblieben ist, als gerade Callot. So sehr er auch seine
Eltern mit Bitten bestiirmte, sich den zeichnendcn Künsten widmen
zu diirlcxi, so waren doch diese seinen Wünschen durchaus ent-
gegen, denn sie hielten dieses Gewerbe für ihren Adel zu niedrig.
Als alle Versuche vergeblich waren, seinem Iiuilstlerberuie folgen
zu können, entschloss er sich in seinem zwölften Jahre heimlich
seinen Eltern zu entlaufen und nach liom zu pilgern, um dort
sich zum Iiiinstler auszubilden und die Meisterwerke Italiens an-
zuschauen. Entblösst beinahe von allen Mitteln zur Preise, und
mit dem Wege nach Italien völlig unbekannt, gcrieth er auf sei-
ne_n Irrwegen an eine Zigeuner- und Seiltiinzer-Bande. Dieser
llailde schloss sich Callot an, und lernte bei der herumschweifen-
den Lebensweise dieser Horde in Wäldern und Wiesen dasjenige
in der "Natur und aus eigener Anschauilng kennen, was er später
in den bekannten vier Blättern, les Boherniens, auf so ergötzli-
ehe und geistreiche Weise bildete, so wie überhaupt in seinen
Protonen VYcrken der Einfluss nicht zu verkennen ist, welchen die
eigenthumhche Haltung dieser noxnadischen Horden auf die Dar-
stellung seiner launigen und bizarren Gestalten geübt hat. Kaum
war er in Florenz angelangt, so vcrlicss er die Bande, vor deren