Volltext: Börner - Cleoetas (Bd. 2)

Huonavotli , 
Nlichcl 
Angeln. 
Von den eigentlich christlichen Darstellungen des lNTichel-Angeln 
finden sich die vorziiglichsteii in seinen frühern VVerlicn, ih denen 
er, wie in der Wladonna della Pietzi in der Peterskirche, sich noch 
nicht von dem Typus der christlichen Kunst entfernt. Zuletztaber ver- 
leitete ihn sein nach Neuheit und Ungebnndenheit strebender Geist. 
den christlichen Typus gänzlich zu verlassen, und daher erschei- 
nen im jüngsten Gerichte die Bildungen des Heilandes, der Apo- 
stel, Heiligen und Engel in einer ihnen keinesivegs angemessenen 
VVeise. 
lYlichel-Angelo scheint die Sculptur, für die er besondere Vor- 
liebe hegte, und der er immer geneigt war, den Vorzug vor der Ma- 
lerkunst zu ertheilen, für seine vorziiglichste Bestimmung gehalten 
zu haben. In ihm war der Maler, so zu sagen, aus dem Bild- 
hauer hervorgegangen. Er strebte daher in der Malerei im Wett- 
eifer mit der Plastik durch perspektivische Verkürzung und Wir- 
kung von Licht und Schatten gleiche Vollkommenheit mit der rea- 
len Darstellung der Sculptur zu erlangen. Bei seiner Neigung. 
diese Iiunst in die Malerei zu übertragen, konnte das malerische 
Element in jener dieser zuni Vortheile gereichen, die er bei einem 
reinern Prinzip der Plastik vielleicht zu sehr in die eigenthiimli- 
chcn Grenzen derselben beschränkt haben würde. Er nannte , wie 
unsVarchi versichert, die Sculpttir die Leuchte (la luccrna) der 
lVlalerei, und hat darin in so fern Recht, als das Plastische zwar 
nicht als das Ganze, aber doch als die Basis auch (lieser Iiunst zu 
lietrachteil ist, und nur durch Uebung der realen Darstellung die 
Form in der Sculptur vollkommen begriden werden zu können 
scheint. Dass die Ülalcr der Vurzeit gewiilunlich in der Plastik. 
nicht mierliahreii waren, hat sie ohne Zweifel sehr in dem gründ- 
lichen Nierstiinrlniss der liorm gefördert, und insbesondere dürfte 
es dem NIichel-Angelo unniiiglicli gewesen seyn, die bewunde- 
rungswviirrlige plastische hrüllliüllllttßllllclt in der Malerei, ohne die 
in der Bildhauerliimst erworbene Atisbiltlnng und Meisterschalt zu 
erlangen. Auch pflegte dieser Iiünstlcr, nach dem Zeugnisse der. 
Wlasari, die Figuren zu seinen Cartons in 'l'hon oder VVachs zu 
modelliren, und sich dieser lNIodelle zum Studium der Beleuchtung. 
insbesondere aber zu den Verlaürzungen zu bedienen, in denen  
als in dem schwierigsten 'll'heilc der Zeichnung, einen Grad der 
Vollkommenheit erreichte,_der unmöglich scheint übertroffen WYCF- 
den zu können. 
Sein Trieb, die schwierigsten Aufgaben der Zeichnung zu lösen. 
hat ihn allerdings zuweilen, vornehmlich i'm jüngsten Gerichte, vor 
leitet, der Kühnheit und llrlannigfultigkeit der Stellungen die An- 
gemessenheit derselben zu dem Ausdruck der lrlandlung aufzu- 
opfern. Einfluss auf dieses Bestreben hatte, nach der Ansicht der 
gelehrten Verfasser der neuesten Beschreibung Roms, vielleicht auch 
der zu seiner Zeit herrschende Streit zwischen den Malern und 
Bildhauer-n über den Vorzug ihrer beiderseitigen Iiiinste. Unter 
den zu Gunsten der Scnlptur von diesen angeführten Gründen 
suchten sie vornehmlich geltend zu machen, dass die Plastik eine 
Iügixr von allen Seiten darzustellen vermöge, wiihrenrl die Nlalerei 
sie nur von Einer Seite zeigen könne. Es sollte in der That schei- 
nen, als halle Michel-Angelo diesen Streit im jüngsten Gerichte 
ausgeglichen, und die Malerei im siegreichen NVetteilL-r mit der 
Sculpttxr zeigen wollen, indem er den Maneel jener liunst, ver- 
möge dessen sie nur Eine Ansicht derselben iliiigur erscheinen las- 
sen kann, durch die möglichste Nlannigfaltiglacit der Gestalten in 
allen denkbaren Bewegungen und Ansichten zu ersetzen suchte. 
Auch sagt sein Schüler und Zeitgenosse , A. Condivi, dass er in die-
	        
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