Volltext: Börner - Cleoetas (Bd. 2)

Buonnrotti , 
Michel  Angeln. 
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sten seyn, welche. die bildende Iiunst je zeigte, ungeachtet sie nur 
ein Bild der göttlichen Macht, aber keineswegs der damit verhun- 
denen Liehe und Uiite gewähren. In den Propheten und Sibyllen, 
in denen, weil sie irdische, obgleich durch göttliche Erleuchtung 
U'lIvCt' das Gewöhnliche der Menschheit erhobene VVesen sind, der 
hunstler vnlllimniiicii zu befriedigen vermag, hat er Typen aufge- 
stellt, die wuhl jederzeit uniibertreFflich bleiben möchten. 
Idealen Gegenständen, wie die meisten in der Siätina, die sich 
auf das allgemeine Verhliltniss des Menschen zu Gott beziehen, 
Scheint auch sein idealer Styl der Form an emessener, als Vorwiir- 
fen , die, wenn auch aus der heil. Geschiclätc, doch als historische 
Erscheinungen in der wirhlichexi YVelt gedacht werden, in die wir 
daher auch durch den Styl ihrer Darstellung mehr als bei jenen versetzt 
zu werden wünschen. (äegcnstiiutlexi dieser Art ist ohne Zweifel 
der auf schöner Wirldichlseit beruhende Styl Rafael? angemesse- 
ner, als der aus der Sphäre des iVliiglicheil entlehnte des Nliüllel- 
Anrrelo. Dieser war daher, vcrmiife des _esannnten Charahters 
sciiiier Iiiin-"f, weit minder als jcneir zum ägentlich historischen 
Maler geeignet. Er steht unter dein Rafael nicht allein im Drinne- 
tischen der Iiunst, welches die Nlalcrei durch die Beziehungen 
des Ausdruckes der (Beiniithsstimznuilgen der in llzindlnng versetz- 
ten Figuren herwxurlwriaigt, sniulern auch in Hinsicht der Anord- 
nung oder nxalerischcn Cenipusition. 
In weitliiuhgexi Zusammensetzungen hingegen sind zwar die ein- 
zelnen Gruppen, für sich betrachtet, meistens vortrelflicli, aber 
nicht nach dem Geschmack jenes Iiiinstlcrs zu einem schönen Gan: 
zen des Bildes virreiniget. Iis herrscht nicht selten, wie vorne-hin- 
lich in dem ubcrn 'l'heil des jüngsten Gerichtes , eine gewisse Ver- 
wurrenlicit, die man nie bei Rafael linden wird, in dessen Compu- 
sitiunen bei stetcm Cnntrnst und lllliimnigfaltiglaeit das Auge jeder- 
zeit ltuhe lindct, und sich daher nic verwirrt und verliert. Ueber- 
haupt war seine hiihne und erhabene Einbildungslaralt nicht immer 
von reinem und richtigen GÖSClllIlLlCliC, wie llafileYs Phantasie, lic- 
gleitet, und wenn er daher in mehreren seiner WVerlie die voll- 
knmmenste Befriedigung gewährt und die höchste Bewunderung 
erregt, so verleitcte ihn in andern sein Hang zum Iiiihnen und 
Sonder-baren, die Grenzen des Angeuicsscnen und Schicklichen zu 
überschreiten, w-vcvuil vornehmlich der obere Theil des jiixlgstcn 
Gerichtes auffallende Beispiele gewährt. ' 
d Auch zeigte er minder Vielseitigkeit des Ge Iistes, wie Rafael, in 
er Behandlunv von manni falti en Vorwürfen. Die meisten sei- 
ner Werlie siuil Darstellungen läiliger Gegenstände, unter denen 
aber die des alten Testaments ihrem Charakter weit vollkommener, 
als die des neuen Bundes entsprechen. Treffend schildert daher 
Kiinig Ludwig von Bayern in seinen Gedichten II. 217, II. Aufl. den 
Künstler, wenn er sagt: 
Heydnische Ruhe und christliche Milde, sic blieben dir fremde; 
Alttestamentisch bist du, Ziirnender, wie es dein Giott. 
Seine Figuren des ewigen YT-aters erinnern nur an die Offenba- 
rung desselben im alten Bunde, wo er nicht selten im Feuer und 
Zorn erscheint, aber nicht an seinen Charakter im neuen, in dem 
er mit der Allmacht die höchste Liebe vereinigt. Bewundcrungs- 
würdig ist er jedoch in den Figuren der Propheten und auch der 
Charakter des Moses dürfte nie su erhaben und treffend dargestciit 
werden seyu, als in der "berühmten Bildsiiule dieses liiinsllßrä lll 
St. Pietro in Vincoli.
	        
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