Bu onarotti ,
Älichel
Angela.
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dem Bilde von der Erschaffung desselben. In seinen meisten Fi-
guren des ewigen Vaters beruht das Hohe und Bedeutende mehr
auf dem (lharakter des liiirperhaues als auf der Gesichtsbildung.
In der liunst der Bekleidung erscheint Michel-Augelo zivar nicht
in so gleicher VUllliUIlIlllCIIllOlll,ISViG in der Bildung des Nackten,
meistens jedoch nicht minder laewvuntlerungswiirtiig. Mehrere Ge-
wiintler in den Declrteugtsmiiltlcn der sixtinischen Kapelle, insbe-
SUlldCFC in den Bildern der Vorfahren des Heilandes, sind mit
äusserst wenigexl aber desto bedeutenderen Falten gebildet, und
zeigen dadurch eine Einfachheit und Griisse des Styls, die man
bei keinem andern Iiiinstler , und vielleicht selbst nicht beim Ba-
fael finden möchte. In andern hingegen scheint die Anordnung
etwas uillkiihrlich und nicht ganz entsprechend dem Wesen der
Natur. Auch liess dieser liiinstler zuweilen das Nackte durch die
Bekleidung mehr clurchsclieineu, als es die lYIiiglichkeit erlauben
möchte. Beispiele davon sind vornehmlich die diinuen Irlekleidun-
gen des Leibes, welche die nackten Formen desselben so bestimmt
erscheinen lassen, dass dadurch das Gewand fast das Ansehen ci-
nes antiken liarixisehes gewinnt. Iileider dieser Art wurden durch
seine Nachahmer zu einer eigentlichen Mode in der Iiunst.
Seine Vorliebe für die Bildung des Nackten ward mit vorge-
riicktem Alter immer ansschliessentler, und veranlasste ihn, in der
Darstellung des jüngsten Gerichts den Gewändern fast gänzlich zu
entsagen, und selbst die Aliustel rmd Heiligen, dem Typus der
christlichen Iiunst zuwider, meistens ganz entbliisst vorzustellen.
Er schien es, wie "Yasari bemerkt, unter der NViirtie der iivrnsh
zu halten, sich mit anderen Gegenständen, als der menschlichen
Gestalt zu beschäftigen, und wollte daher auch landschaftlichen
und airchitektuxiischen iVUIWYilffCll zur Seenc und zur Llmgehung des
Menschen in seinen Gemälden keine Aufmerksamkeit widlncn, wo-
durch er aber mehr die einem Bildhauer als einem Dllaler ange-
messene Denkart zeigte.
Von seiner Farbe und Beleuchtung sprechen die neueren Kunst-
schriftcn, als ob davon gar nicht die Rede seyn könne. Aruch die
Bewunderung seiner Zeitgenossen bezieht sich vornehmlich Huf
die Zeichnung, und der Iiiinstler selbst möchte das Colorit bei
seinem vorherrscheiuleil plastischen Sinn als einen ziemlich unter-
geordneten Theil der Kunst betrachtet haben. Indessen wüssten die
gelehrten Verfasser.derBeschreibung Roms doch nicht, welche von den
Fresczimalereien, wenigstens unter denjenigen, die sich in Rom be-
finden, mit Ausnahme von denen des Rafael, der seinigen gleichge-
stellt werden könzite. Seine Fleischfarbe ist wahr und ungeint-iix
kräftig; einfach zwar, wie es der grosse ideale Charakter seiner
Iiunst erfordert, aber dabei keineswegs eintönig und ohne Tviaix-
nigtaltigkeit in verschiedenen Figuren. In den Farben seiner Ge-
wänder, die meistens, nach Gewohnheit der älteren lYIeister, schil-
lernde Zeuge vorstellen, herrscht ein schöner Sinn und eine, sehr
harmonische Zusammenstellung. Charakteristische Darstellung der
SWR0 Wäre seiner idealen Weise widersprechexid gewvesen, und
kann daher in seinen VVerken gar nicht gesucht werden. "Auch
musste demselben die Frescomalerei weit angemessener seyn, als
die Oelinalerei. Ob er die letztere je ausgeübt hat, ist zweifelhaft.
VYH" Wissen nur, dass er sie geringschätzte, und darin so weit
ging, dass er sie als eine nur für Weiber schickliche Arbeit er-
klärte.
Ill der Rundung und Modclliruilg der Gegenstände scheinen die
Gemälde dieses Iinnstlers uniibertreiflich. Sie-sind in den Dllassen
von Licht und Schatten nicht minder grossartig. E115 Ü! de" F01"
Nagler-Äs Iiümstler-Lex. II. Bd. 15