Buönarotti , Michel-
Angeln.
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den Gewalttliätigen, der, selbst den Schein des Bürgers verach-
tend, die Republik fiir sein Erbgut ansah. Michel-Angelo wollte
in diesem Marmor seine Rache unsterblich machen; er bildete Lo-
renz, wie er vor dem Grabe in tiefen Gedanken sitzt, aber die
Gedanken des Tyrannen am Grabe sind Gewissensbisse. Durch
die Gestalten der JWIorgen- und Abenddämmerung, die er auf sei-
nem Grabe anbrachte, zeigte er ihm an, dass der Glanz seiner
unheilbringenden Macht kurz gewesen und nicht ihm angehörte.
Aus der Zeit, in welcher Buonarotti nach Florenz zuriickkehrte,
ist auch ein sehr schöner Apollo, der einen Pfeil aus seinem Iiö-
eher nimmt, und nach dem Tode Clemens VII. verfertigte er in
Rom die Statuen des Nils und der Tiher, und stellte auch die
Iieiterstatue des Marcus Aurelins auf dem Capitol auf, die zu sei-
ner Zeit gefunden wurde. Endlich war er auch gezwungen, das
Grabmal des Pahstes Julius zu vollenden, denn der Geschäftsfüh-
rer des Herzogs von Urhino drängte ihn. Das Mausoleum sollte
colossal werden, und die liiesenbilder und Klötze, welche zu Flo-
renz und in Frankreich stehen, und alle Sieg und Herrschaft vor-
stellen, waren dazu bestimmt; aber das Werk schrumpfte zu dem
in der Kirche S. Pietro in Vincoli stehenden ein. Hier ist sein,
dräuend gegen die abgötterischen Juden, eben aufstehender Moses,
der streitbare Iiirchenfiirst Julius, doch ist es kein eigentliches
Bildniss, mehr nur ein Sinnbild. Michel-Axigelo verschrniihte es
ausdrücklich, Bildnisse zu machen, und daher auch haben alle
seine Gesichter und Gestalten jenes Allgemeine, abstrakt und ein-
förmig Erhabene, das man vorzugsweise idealisch zu nennen pflegt.
Diesem Moses wurde von Manchcm iiberschwrvengliches Lob er-
theilt, und von der Vortreiflichkeit der Arbeit ist schon genug ge-
sprochen worden. In Rücksicht auf VVissenschaft und die Gewalt
der Technik bleibt freilich hier, wie überall, Buonarotti unerreichbar.
YYir berühren jetzt den Zeitpunkt, von welchem an die Bau-
kunst fast ausschliesslich den liiinstler in Anspruch nahm. Unter
Paul entstand das berühmte jüngste Gericht, und eben dieser Pabst
übertrug 15.16 dem lVIichel-Angelo nach San-Gallxfs Tod auch die
Leitung des Baues der Peterskirche. Buonarotti war, vermuthlich
seines hohen Alters wegen, anfangs der Annahme dieses Auftrages
sehr abgeneigt, und daher suchte er sie unter dem Vorwande ab-
zulehnen, dass die Baukunst nicht sein eigenes Fach sei; allein er
sah sich zuletzt genöthiget, dem Willen des Pabstes nachzugehen.
_Das Modell des San-Gallo ward von ihm gänzlich verworfen, in-
dem er behauptete, dass durch einen minder weitläufigen Plan das
Gebäude an Schönheit gewinnen, und dabei ein bedeutender Anf-
wand von Zeit und Iiosten erspart werden könnte. Um dieses zu
beweisen, verfertigte er innerhalb 14 Tagen ein neues Modell, mit
einem Aufwand von nicht mehr als 50 Scudi, da hingegen das des
San-Galle iiher 4000 gekostet hatte. Er gab der Kirche die Form
eines rieehisichen Kreuzes. Das äussere Gewölbe der grosscn
Kuppe? wollte er zu grösserer Festigkeit, nicht wie Bramante auf
Säulen, sondern auf einer Mauer aufführen. Vier kleine Kuppeln
sollten, wie nach dem Entwurfe des B. Peruzzi, die grosse umge-
hen, und der Iiirche wollte er eine Vorhalle ertheilen, mit einem
in der Mitte hervorspringenden G-iebcldache, wo sie von einer
düppßltell, Zu beiden Seiten aber nur von einer einfachen Säulen-
reihc getragen werden sollte.
Dieser Plan erhielt den vollkornmensten Beifall des Pabstes, der
darauf durch ein Motu proprio (s. dieses bei Bonanni p. 61) die
Ernennung des Michel-Angelo zum Baumeister der Peterskirche
auf eine fiir ihn höchst ehrenvolle VVeise bestätigte. Ei Ward Ihm