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Buonarotti ,
Michel-Angelo.
sagt, es sei ein grosses Temperabild gewesen, und Mariette in den
Anmerkungen zu Condivi will es, wiewohl verdorben, noch gese-
hen haben. Allein es scheint dieses nur eine Copie in Oel gewe-
sen zu seyn, indem er sagt, sie sei in Titian's Art gemalt. D'Ar-
gensville behauptet, das Gemälde sei unter Ludwig XIII. verbrannt
worden, er irrt aber, wenn dieLeda im k. Museum zu Berlin wirklich
von Michell-Angelo herrührt. In dieser Sammlung wird ein Gemälde
der Leda schon seit längerer Zeit aufbewahrt, das aus Frankreich
kam, und für Buonarottfs Werk gilt.
In der königl. Akademie zu London ist ein Carton, in schwarzer
Kreide ausgeführt, welcher denselben Gegenstand vorstellt. Er be-
fand sich ehedem im Hause Vecchietti zu Florenz; ist aber, nach
Passavant, wahrscheinlich nur alte Copie oder Zeichnung nach
dem Originalgemälde.
Mittlerweile wurde Florenz eingenommen, und die Medicäer
kehrten zurück. Michel-Angelo verliess jetzt seiner Sicherheit
wegen die Stadt, fand beim Herzog d'Este zu Ferrara ehrenvolle
Behandlung, und ging dann nach Venedig. Er verweilte hier nicht
lange, denn Clemens VII. sicherte ihm Verzeihung zu, und befahl
ihm, das Grabmal der Medicäer zu vollenden, worin wir ein Haupt-
werk von Michel-Augelds Kunst erkennen; zuförderst in den
Monumenten des Lorenzo und Giuliano de' Medici, die beide in
römischer Tracht sich cgenüber sitzen; Giuliano baarhaupt, Schwert
oder Stab auf dem Scäioosse haltend, Lorenzo unterm Helm mit
übergeschlagenen Füssen, den Ellenbogen auf dem Iinic, die I-Iand
am Kinne, so nachdenklich dasitzend, dass man ihn mit Hecht
Pensieroso genannt hat. Unter ihnen, auf den gebogenen Deckeln
der beiden Särge, liegen auf jedem eine männliche und eine weib-
liche Figur, auigestützt, ganz nackt, die Männer alt und hürtig,
mit übers linia gelegten Beinen; die Weiber auch über die Blüthe
hinaus, mit hangen en Brüsten und faltigem Leibe, jede ein Bein
ausstreckend, das andere aufstützend, alle aber in grosser Kraft
und Fülle. Das Weib auf Giuliano's Grab schläft tief über einer
Traumlarve, und hat zum Ueberfluss noch die Eule und Mohn-
köpte neben sich; denn sie bedeutet die Nacht, und_ der Mann
neben ihr den Tag, so Wie das andere Paar Dämmerung und Mor-
genröthe, wie der Künstler selber wollte.
Alle diese Bildsäxilen sind gewaltige Gestalten, die in kühnen Stel-
lungen ihres Meisters ganziäevliraft und Kunst entfalten. Sie sind zum
Theil unvollendet, sowie Manches von diesem Künstler. Unvol-
lendet sitzt in derselben Iiapellc ebenfalls eine Madonna mit lie-
bevoller Brust und gekreuzten Beinen, auf welchen das Christkind
reitet. Ferner ein Christus im Dom und ebendasclbst auch ein
Evangelist Matthäus, meist nackt, der sich kaum aus dem Marmor
hervorringt. Hieher gehört auch die Brutus-Büste in der Kunst-
sammlung.
Die Statuen der Medicäer und die allegorischen Figuren beschäf-
tigten viele Erklärer, die zwar alle der Schönheit und grossartigcn
Lebendigkeit dieser Werke Gerechtigkeit widerfahren liessen, da-
gegen über die Bedeutung, welcher der Bildner dabei im Sinne
hatte, sich nicht vereinigen konnten. "Der sprechende Ausdruck
der Portraitstatuen veranlasste, dass die des Herzogs Julian l'Alle-
gro und die des Herzogs Lorenz von Urbino il Pensierosu genannt
wurden. Niccoliui, der beständige Sekretär der Almdemie zu Flo-
renz, meint, Michel-Angelo habe hier jenen Lorenzo dargestellt,
der seinem Grossvater so unähnlich war, jenen Undankbaren, der
mit oifenbarer Ungerechtigkeit den Herren della Bovcrc, die ihn
im Unglück gastfreundlich aufgenommen hatten, Urbino entriss;