Buonarotti ,
Michel An gelo.
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druckes der Handlung. Zwei Engel unter denen, die das Kreuz
erheben, er_ reifen es schwebend über den hier zum Boden die-
nenden Wolien, und der obere derselben, der von hinten er-
scheint, mit den Händen über den Rücken gelegt. Beide aber
scheinen dürch ihr Gegengewicht das Emporheben vielmehr zu hin-
dern, als dazu beizutra en. Hinter der unteren jener beiden Fi-
guren ist ein Engel zu iemerken, der die geballte Faust erhebt,
wodurch es fast scheinen möchte, als ob er den übrigen eine dro-
hende VVarnung geben wolle, ihm das Kreuz nicht auf den Leib
fallen zu lassen. Bei der Aufrichtung der Säule ist nicht mitUn-
recht bemerkt werden, dass dieselbe der Figur, die sie zuerst u1n-
fasst, gerade auf den Leib gestossen wird.
In der mittleren der drei unterwärts folgenden Hauptgruppen
erscheint der Heiland, der wohl unter die am wenigsten gelunge-
nen Figuren dieses Viferlres gehören möchte. Sein Gesicht ist bart-
los, und überhaupt ganz entfernt von dem Typus der christlichen
Iiunst gebildet. Seine Gestalt fällt in das Plumpe, und ist weder
in Form noch Anstand edel. Gegen die Gottlosen gewendet, hebt
er die Rechte zu ihrer Verdummung empor, indem er mit der Lin-
ken nach den Frommen zeigt, und dieselben einzuladen scheint.
Auch die Bildung der heil. Jungfrau, ihm zur Rechten, entspricht
nicht ihrem Charakter. Sie und der Heiland sind mit einem Kreise
von Aposteln, Heiligen und Engeln umgeben. Unter diesen be-
merkt man auch d'en heil. Bartolomäus mit der abgezogenen Haut,
und den heil. Blasius mit Hecheln. Letzterer hält dieselben über
das Haupt der heil. Catharina, nicht, wie behauptet worden, um
mit ihr Scherz zu treiben, sondern um ihr das grausame Werk-
zeug seiner Marter zu zeigen, und sie wendet- das Angesicht zu
ihm hinauf, in Begriff das Rad empor zu heben, um durch das-
selbe ihm ihren nicht minder martervollen Tod zu bezeugen.
In den oberen Gruppen erscheint viel Mangelhaftes, und das
herrschende Gewühl stört die der Darstellung des Himmels ange-
messene Ruhe, desto mehr Bewunderung aber verdient das Meiste
in dem noch übrigen Theile des Werkes. Hier ist auch der Styl
der Zeichnung im Ganzen vorzüglicher, die Formen fallen nieht
so häufig in das Plumpe, und der kühne Charakter der Bildungen
menschlicher Leiber, der in diesem Werke herrscht, möchte' in
den übrigen Gegenständen mehr, als in dem oberen Theile mit dem
Himmel angemessen seyn.
Die in der Mitte des Bildes erscheinenden Engel aus der Apo-
kalypse bilden eine vortreffliche Gruppe. Sie sind zwar ebenfalls
nicht in dem gewöhnlichen Typus der Engel gebildet, tragen aber
die Gestalt ausserordentlicher Wesen. Schade nur, dass gegenwär-
tig die eisernen Haspen, um ein Gerüste an die VVand zu befe-
stiggn, mitten in die Figuren dieser Gruppe hingeschlagen wurden.
witten auf dem untersten Theile des Bildes ist eine Höhle , die
dem Blick das Innere der Hölle öffnet. Vom Beschauer links ist
(116 Auferstehung der Todten in verschiedenen Momenten vorge-
stellt, III Figuren von vortrefflicher Zeichnung, die mit VVahrheit
dffi Ausdruckes mannigfaltige Schönheit der Bewegung und Grup-
pirung verbinden, und von denen besonders die in den Himmel
emporstelgenden Seeligen, der meisterhaften Zeichnung wegen, Be-
wunderung verdienen. Bei der Hölle erscheint ein Kampf der
Engel mit den Teufeln um den Besitz der Seelen, und gegenüber
den Frommen, vom Beschauer rechts, erscheinen die im Sichlamm
der Sünde versunkenen, die in frecher Einbildung den Ilimmel"
Zu erlangen meinen, aber oben von Engeln zuriickgestossen, und
unten von Teufeln hinab zur Hölle gezogen werden. Diese mit