Volltext: Börner - Cleoetas (Bd. 2)

208. 
Buonarotli, 
Bliebe] 
An gelo . 
im Dezember des Jahres 150? aufgedeckt, und folglich vviire als" 
nach jener Angabe des Vasari Miehel-iängelußs Ankunft in läom 
um den Anfang des Jahres 1508 zu setzen. 
Hingeäen erwähnt Franc. de AlbertinPs (blind). Romae Lib. III- 
bei Fea  c. S. 2?) in den an Julius II. gerichteten Worten unter 
dem Ihtum des 5- Juni 1509, der Gexnl-ildc des Michel-Ailgelo in 
der Sixtiiaa als bereits vollendeter Werke, und wenn sie also zu 
dieser Zeit schon fertig waren, so iniisste nothwcntlig der Iiiinst- 
1er ihre Ausführung früher begonnen haben. als aus den Zeugnis- 
sen des Vaäari und Tizii) folgen würde, selbst wenn man anneh- 
men will, dass nur die eine früher aufgcdeclite I-{iilfte darunter 
verstanden sei, da die Gartens des siiinmtlicheci XVerhes, wenn der 
angegebene Zeiiraum zur Ausführung desselben für möglich gehal- 
ten werden soll, nicht unbedeutende Zeit erforderte. Iioscm: 
setzt in seinem "Leben Leo's X." die Vollendung" dieser 
Werke in das Jahr 1511. Diese Zeitbcstimxnung gründet sich. 
Wohl nicht auf historische Urkunden, und lioscoe folgte in der- 
selben verniuthlich nur dem liichardsoix. NVenn der I'iii1istlei' die 
Arbeit mit dem Anlhnge des Jahres 1508 begann, und dieselbe bin- 
nen (12 Monaten vollendete, so mussten allerdings die Gemälde mit 
Anfang des November-s 1509 fertig scyn. Allein der von Vasari 
und Condivi bestimmte Zeitraum ihrer "Vollendung kann sich nur 
auf die Gemälde mit Ausnahme der früher verfertigtcn Cartons be- 
ziehen, und man darf füglich annehmen, dass diese dcu] Künstler 
wenigstens die Hfilfte der Zeit als ihre Alßfiilltftlllg in Fresco lao- 
stete. VVcnn daher Michel-Angelo das Unternehmen überhaupt, 
die Verfertigung der Gartens eiubegriffen, erst mit dem Anlhnge 
des Jahres 1508 begann, so scheint die Vollendung nicht früher 
als gegen das Ende des Jahres 1510 angenommen werden zu laön- 
enen. Neueste Beschreibung Roms von Platner etc. II. 145, wo 
auch die ausführliche Beschreibung der Gemälde zu lesen ist. 
Die Ideale der Propheten und Sibyllen dieser Kapelle, die in 
riesenhaften Verhältnissen zwischen den Pfeilern auf Sitzen er- 
scheinen, schuf Michel-Angelo selbst. Sie ollenharen in gewalti- 
ger Bewegung den innern und iiussern Sturm und Drang. Ihr 
Geist ist der des Forschens, Sehnens und Erwartens, mit dem sie 
über Leiden und Zerstörung hinaus auf den einigen Gott, den 
Retter Israels, hinblicken. Diesen gewaltigen Charakteren, welche 
sinnend, trauernd und prophezeihencl über einer zerrütteten Zeit 
schweben, war das Genie des Miehel-Angelo angemessen, selbst 
eine Natur von urweltlieher Kraft. In seinen Deckengemälden die- 
ser Sixtina, wo der Künstler ein urliriiftigesPropbetengeschlecht 
ins Daseyn rief, spricht sich der reinste Flug aus, den seine Phan- 
tasie zum Ideale nahm. 
Einive dieser Figuren sind auf unübertrelfliche Weise dargestellt, 
alle aber." Gestalten, deren Anblick das Gemiith mit heiligem 
Schauer und Bewunderung erfüllt. Eine der mächtigsten ist der 
Prophet Jereinins, in vorgeriiclatem Alter, mit langem weissen Barte 
gebildet, und auch Zacliarias, mit weissem Barte und ltahlem Schei- 
tel, zeigt in der Pieihe dieser erhabenen Gestalten ausgezeichnete 
Grösse des Styls, VViirtle des Charakters und lebendigen Ausdruck. 
Das Gewand desselben gehört unter die vortretflichsten des Michel- 
Angelü- U18 Yorzüglichste dieser Figuren, in Hinsicht des Aus- 
drucks und der Bedeutung, ist der Prophet Isaias. Das Ilingebeil 
an göttliche Eingebung, das Vcrlorenseyn der Seele in einen sie 
ganz erfüllenden Gegenstand, ist bewunderungsivürdig dargestellt, 
und diesem Ausdruck des Gesichtes entspricht auch ganz trellientl 
die Stellung der Figur und die Gebcrde der linken Hand. Nicht
	        
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