B nonarotti ,
Michel An gelo.
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Miehel-Angelo hatte hier die Verhältnisse so genau berechnet, (lass
91' 4111 Illßllrcren Stellen die rohe Arbeit seines Vorgängers nicht
verbesserte, um nicht durch das Glätten derselben dem Ebeninasse
zu schaden.
Zu dieser Zeit bot sich den beiden erwähnten Künstlern eine
neue Gelegenheit, im edlen VVetteifer ihre Iiriifte zu versuchen.
Die Florcntixiische Regierung beschloss nämlich, ihren Versamm-
lungssaal durch Gemälde einiger, in den Pisanischen Feldzügen er-
fochtenen, Siege zu schiniickeil. und beide liünstler erhielten dazu
jeder besonderen Auftrag. Jeder ging auch einen selbststän-
digen VVeg; Leonardo wiihlte die Darstellung eines Gefeehtes von
Reitern, und bet hiebei allen Beichthnm seiner Phantasie auf,
welche uns das wilde Sehlachtgetüxixmel, den festen hrluth, den
Hohn des mordlustigen Siegers und das Exitsetzen des Besieten
lebendig vor Augen führt NIicheI-Angelt) wählte den Augenblick,
in welchem ein Haufen Florentinischer Soldaten, die eben im Arno
baden, unerwartet den Aufruf zum Iiampfe vernimmt. Hier kum-
Inen grüsstentheils nur menschliche Gestalten vor, denn Buonarotti
wollte die Hraft seines Genies nicht an der Schilderung der thie-
risehen Schöpfung verschwenden. Alles ist hier in Bewegung.
Die schon aingehleideten, die noch halb oder ganz nachten Iirie-
ger stehen in buntem und lärmenden Gemische durcheinander. Ei-
ner, der eben aus dem l-Vasser kommt, und sich nach der Seite
hinwenrlet, wo die Trompete geblasen wird, springt ganz bestürzt
auf, und drücht in Stellung und lNIiene die höchste Verwirrung
aus. Ein anderer zwingt mit lebhaftester Ungeduld seine noch
vom Wasser triefenrlen Glieder in die anlslebenden Iileicler. Ein
dritter ruft seinen Cameraden, dessen Waffen man nur erblickt,
indem er am Felsengestade des Flusses heraufhlettert, dessen Wel-
len man gerade vur sich am iiussersten Rande des Gemäldes er-
blickt. Ein vierter ist bereits gerüstet, schnallt sich sein Degen-
gehänge an, und scheint im Begrilf nach Schild und Schwert zu
greilbnrdie zu seinen Fussen liegen. Benvenuto Ccllini behaup-
tet, der liiinstler habe nachher nichts mehr geliefert, welches die-
ses Meisterwerk nur halb erreiche, und es ist daher auch nicht
zu zweifeln, dass die Werke beider Iiünstler, als Früchte des edel-
sten XVetteifers, Epoche in der Geschichte der Kunst machten,
und das NIustcr wurden, nach welchem sich fast alle grosscn
Künstler bildeten. Unter dieser Zahl ist auch der grosse Rafael
Sainzio von Urhino.
Diese beiden berühmten Compositionen wurden nicht in Gemäl-
den ausgeführt, aber leider sind auch die Gartens nicht mehr ganz
vorhanden. Isange glaubte man, nur eine Gruppe von fünf Figu-
ren und eine einzelne seien durch die Iiupferstiche des Nlarc-An-
tun und Augustin von Venedig den Iiunstlreunden erhalten, allein
vor einigen Jahren entdeckte, dem Vernehmen nach, ein en li-
scher Iiupfersteeher eine vollständige Zeichnung von lVIiehel-än-
selots berulnntem Carton. Dieser kam, so wie jener des da Vinci,
Sülßliweisc als Seltenheit in verschiedene Städte Italiens. Bandi-
116111 kam in den bösen Ruf, ihn zerrissen zu haben, allein die
Sache ist nicht hinlänglich erwiesen. Bruchstücke beider Cartons
Slmhbßl (TAgincourL abgebildet.
Huchstsehatzbar ist auch das interessante Gemälde, welches H.
C0148 auf Seinem Landsitze zu Holhham in England aufbewahrt,
und das durch Sehiavonettfs Iiupfcrstich bekannt wurde. Es ist
grau in grau gemalt, und gibt uns einen Begriff von dem wich-
tigsten TllCll der Coinposition, denn es enthält nur die Hnnpji-
gruppc der Badenden und der sich zum Iiampfe Bereitenden- Dlß