Bruneleschi ,
FilipPo'
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in der Beugung eines gespitzten Viereekes wölhe und dass sie doppelt
gemacht werde, die eine Wölbung von innen, die andere von ans-
sen. Nun kann Philipp in Eifer, sagte immer mehr Gewagtes, man
glaubte ihn daher um so weniger, hielt ihn für einen Dummkopf
und liess ihm zuletzt als einen wahren Narren aus dem Saale schlep-
pen. Die Bauherrn waren nun in ernstlicher Verlegenheit. Jene
Meister fanden zu grosse Schwierigkeiten und Bruneleschi schien
ihnen ganz verrückt. Letzterer hätte jedoch durch ein kleines Mo-
dell die Richtigkeit seiner Ansicht darthun können, doch er wollte
dieses nicht, weil er die schwache Einsicht der Bauherrn, den
Neid der Iiünstler und die geringe Beständigkeit derStädterkannte.
Bei einer zweiten Versammlung überwies er sie endlich alle, und
damals soll er die Geschichte mit dem Ei vorgebracht haben. Als
nämlich die Architekten verlangten, Philipp möchte sich mehr im
Einzelnen aussprechen, und sein Modell zeigen, so sagte er, er
wolle demjenigen die Aufführung der Iiuppel zuerkennen, der auf
einer ebenen Marmor-tafel ein Ei auf die Spitze stellen könne. Iiei-
nein gelang der Versuch, nur dem Bruneleschi, aber dieser schlug
die Spitze ein. Die liiinstler schrien zusammen: das hätten wir
auch gewusst, allein Philipp beliichelte sie, und sagte: wenn ich
euch mein Modell gezeigt hätte, so hättet ihr auch gewusst, wie
man die Kuppel wiilbe.
Der Bau WLUCllO nun dem Bruneleschi übertragen, aber doch
mit einigem IYIisstrauen, denn man setzte ihm den Lorenzo Ghi-
berti an die Seite, jedoch zu seinem iäerger. Beide Meister arbei-
teten nun gemeinschaftlich, jeder nach seinem Modelle, bis zum
Jahre 1420. Jetzt erreichte der Unwille Bruneleschfs den höchsten
Grad, denn man nannte Ghibcrti so gut, wie ihn, den Erfinder.
Endlich stellte sich Philipp krank und Lorenzo leitete den Bau,
allein er hatte die Einsirht nicht und verrieth seine Blässe, worauf
unserm Iiiinstler die alleinige Leitung des Baues übertragen wurde.
Er führte ihn mit grüsster Pünktlichkeit und wölbte seine Riesen-
kuppel, des Hohnlachens aller zusammenberufenen Baumeister von
ganz Europa nicht achtend, mit sicherer Berechnung ohne Arma-
tur und wurde der Schöpfer des berühmtesten architektonischen
Heldenwerkes eines grosscn Zeitalters. Wegen hohen Alters konnte
er die Laterne nicht mehr vollendet sehen; aber sie wurde nach
seinem Modelle ausgeführt und der Schlussstein 1456 gelegt.
Bruneleschi warunit Leo Batista Alberti der Erste, welcher die
antike Batikunst wieder in Anwendung zu bringen suchte. Dieses
Streben ist in allen seinen Gebäuden, und auch in diesem Kuppel-
bau, sichtbar. Die Architektur der beiden Stockwerke der Kuppel,
so wie jene der langen Seitenwände, welche über dem höheren
Mittelschiff autsteigeil und das obere Dach tragen, ist gar nicht
gothisch, wie mehr oder minder noch die übrige Bekleidung, son-
dern in antiker Art. So ist auch die einfiirinige Kuppel selber mit
ihren un eheuern, ganz zierlosen Flächen, und der antiken La-
terne droiben, fremdartig, und nach von der Hagen (Briefe in die
Heimath II. 206) der ganze Bau immer eine seltsame Zusammen-
Sßllflng aus gathischen und antiken Elementen, aus Kreisen, Halb-
kreiseu, Elipsen, Dreiecken und Viereeken aller Art, ohne recht
lebendige ilurchdringende Verbindung und Stiitigkeit.
_Der Grundriss und Durchschnitt des Domes ist bei d'Agincourt,
Enizelnheiten der Säulen und Gewölbe und die Iiuppel sind bei Ci-
Cvgnarai abgebildet.
Obgleich der Bau der Kuppel grosse Anstrengung und Aufmerk-
samkeit erlbrderte, so war er dioch weit entfernt, Brunelesch?!
Thätigkei! ganz in Anspruch zu nehmen. Sein Ruhm war verbrei-