Volltext: A - Boe (Bd. 1)

Bernini , 
Johann. 
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rer wahren Gestalt. Er begriff die Kunst nicht als vollkommene 
Darstellung der Natur, sondern als einen derselben abgewonnencn 
Triumph. Seine Gestalten zeigen Leben, aber nicht natürliches, 
sondern durch die VVillkiihr des Künstlers verbildetes Leben. Er- 
strebte, wie Winckelmzinn von ihm mit Becht sagt, den gröberen. 
und gemeineren Sinn zu befriedigen, und daher verhält sich die 
falsche Grazie, der er hulcligte, zu der wahren, wie eine freche 
Buhldirne zu einer schönen und ziichtigen Frau, 
Es dürfte wohl in Correggio der Keim zu seiner Manier sich 
finden lassen, durch welche die gesuchte Grazie und die völligen 
fleischigen Formen dieses Malers bis zur höchsten Carrikatur ge- 
trieben wurden. Sein Fleisch hat so ein aufgedunsencs Ansehen, 
dass die Muskeln der männlichen Körper an Blasen erinnern. Die 
üppigen Fleischniassen seiner Frauen vermochten nur der gemein- 
sten Sinnlichkeit zu gefallen und müssen bei nicht gänzlichem Man- 
gel an Schönheitssinn mit Widerwärtigkeit erfüllen. Seine Ge- 
wiinder zeigen gewöhnlich noch einen weit manierirteren Falten- 
wurf als die des Pietro da Cortona, an dessen Geschmack sie je- 
doch erinnern. Bei seiner grossen Meisterschaft in Behandlung 
des lYIarrnors wusste er jedoch keineswegs den Charakter des Flei 
sehes auszudrücken, welches vielmehr ein dein Wachse ähnli- 
ches Ansehen zeigt. Glücklicher war er in der Darstellung 
der Stoffe der Gewänder, worin er alles leistete, was die Sculptur 
zu leisten vermag, die jedoch durch das Streben, in solchen Ge- 
genständen mit der Malerei zu wetteifern, die Verkennunä ihrer 
Grenzen oilenbaret, welche übrigens kein Bildhauer mehr a s Ber- 
nini verkannte. Die Bildnisse dieses Künstlers zeigen jedoch nicht 
selten ausgezeichnetes Verdienst.  
Der verkehrte Sinn, durch welchen der Mensch seine erdachten 
Be riffe von Schönheit an die Stelle ihrer wahren Idee zu setzen 
suäit, hatisich zwar mit dem Verfall der Iiunst zu entwickeln be- 
gonnen, ist aber doch erst in dem Zeitalter des Bernini als ent- 
schiedene Unnatur hervorgetretcu, die sich seitdem im _ esammten 
menschlichen Leben offenbarte. Neueste Beschreibung Bomk von 
Bumsen, etc. I. 565. 
Aber nicht allein auf die Bildhauerei, sondern auch auf die Bau- 
kunst hatte Bernini mächtigen Einfluss. Durch den sonderbarsten 
Widerspruch war er aber als Bildhauer einAntagonist der griechischen 
Sculptur und als Baumeister der folgsainstc Verehrer der Griechen; 
er wurde in dieser Kunst sogar ein anerkanntes Vorbild in der 
Anwendung des griechischen Styls und seiner schönen Vßrhälllllßäe 
auf die neueren Bedürfnisse derselben. Nach Winckelmann ver- 
dient er auch das Lob eines grossen Baumeisters, was in der Bild- 
hauerei nicht der Fall ist, da seine Figuren ohne Gefühl des mensch- 
lichen Schönen, wie wassersiichtig erscheinen. 
Bernini hatte zu Rom während seines langen Lebens auf alle 
Kunstarbeiten einen grossen Einfluss. Schade nur, dass er der 
Ausartung des Geschmackes alle Thore öffnete. Unter Paul V. fing 
er an, sich einen Namen zu machen, aber erst unter der Reäiß- 
rung Urban VIII. und Innozenz X. wurde er der Vertheiler 31er 
Öffentlichen Arbeiten zur Verschönerung ROHYS und durch die Er- 
nennung zum Aufseher über den Bau der St. Peterskirche Würde 
diese Macht noch mehr bestäittiget. So mussten ihm auch alle 
Künstler huldigen, ihm nachahhnen, oder seine Feindschaften:- 
pfinden. Urban erhob ihn in den ltitterstand. 
Die Ernennung zum Baumeister der St. Peterskirche geschah 162g 
nach dem Tode Carl Madernds. Noch fehlten an dieseni erhabe- 
nen Domc die beiden Thiirme; Berniui verfertigte daher die Zeich-
	        
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