Volltext: A - Boe (Bd. 1)

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offenbarte sich besonders in seiner Bekanntschaft mit Protogenes, 
den er in Rhodus besuchte. Er traf bei seiner Ankunft den Kunst- 
Verwandten nicht zu Hause, kündigte sich aber dadurch an, dass 
er eine Linie über eine bereitete Tafel zog. Protogencs erkannte 
sovleich die kunstfcrtige Hand des fremden Mannes, zog aber, 
selrbst ein berühmter Iiiinstler und sich seiner Kraft bewusst, eine 
zweite Linie in die des Apelles. Dieser erreichte jetzt das Höchste; 
{heilte die von Protogeiies gezogene Linie; wie früher letzterer ge- 
than, und trug den Sieg über den Meister davon. Die Tafel, auf 
welcher beide Künstler ihren VVettstreit geführt hatten, war aus 
Rhodus nach Rom gekommen, wo sie durch Brand im Pallaste des 
Kaisers zu Grunde ging. 
Einige tadeln den Plinius, dass er ein solches Mährchen erzählt 
habe, das selbst in der Bedeutung räthselhaft ist. Es bleibt näm- 
lich eine doppelte Erklärung übrig, entweder heisst linea hier ein 
ganzer Contour, _oder man versteht buchstäblich nur eine einzige 
feingezogene Linie, ohne dabei irgend eine Figur zu beabsichti- 
gen. Dass linea das erste heissen könne, beweiset schon das Apel- 
lischc „nu1la dies sine linea", und diese Erklärung soll auch lVIichel 
Angele durch die That bekriiftiget haben, indem er, um das Un- 
verdienstliche eines solchen Unirisscs zu zeigen, als von diesem 
Wettstreit in seiner Gegenwart die Rede war, einen Zeichenstift er- 
griff und vom Fusse anfangend die vollendete Gestalt eines nakten 
Menschen in einem Streife aufzeichnete. Die erste Erklärung hat 
immer das grüsste Glück gemacht. 
 Mengs meint, die so viel bestrittene Linie könne nur dadurch 
so grosse Aufmerksamkeit erregt haben, dass die tres lineae, wie 
sich Plinius ausdrückt, als eben so viel neben einander aufgezeichnete 
Contorni erschienen, in denen ein Meister immer feinere. Iiintheilung 
der Formen, immer grüssere Iiunst und Abwechslung im Zusatz 
der letzten Linie zeigte. Jedoch scheinen die Worte beim Plinius 
(lineas secuit), diese Erklärung nicht zu bcgunstigen, und wirklich 
sollte man dieses eher von einer Linie in der Linie verstehen. 
Man könnte also auch sagen: Protogenes habe in die Linie, die 
eine ganze Figur umriss, mit der ihm eigenen Fertigkeit denselben 
Umriss noch einmal gezeichnet und Apelles das Unmögliche ge- 
than, und in diesen zweiten Umriss einen dritten gebracht. Dieses 
erklärt vielleicht allein das Wunderhafte in der Sache. Hirt (Gesch. 
der b. K. bei den Alten 2.15) nimmt die Beschreibung des Plinius 
buchstäblich, und glaubt, dass die drei Linien nichts anders als 
Linien, und zwar gerade Linien darstellten, welche über den an- 
zen Raum der Tafel gezogen waren. Die beiden Meister woäten 
nach der Ansicht dieses Schriftstellers ihre lYIeisterhafti keit bloss 
durch die Geradheit und Zartheit der Linien erweisen. är hält die 
Erziihlun fiir kein Mährchen. 
Die edle Gesinnung zeigte Apelles gegen seinen Iiunstgenossen 
dadurch, dass, als er sah, dass die Bhodier ihn und seine Iinnst 
nicht genug ehrten und bezahlten, er selbst sich anstellte, seine 
VVerke zu kaufen, um sie dann als die seinigen zu verkaufen. 
Apelles lebte am Hofe Alexander des grossen, am glänzcnclsten 
gegen die 122 Ol. Er "War dieses grossen Eroberers Hofmaler, der 
ihn hochschätzte und nur von ihm gemalt seyn wollte. Der Iiünst- 
lcrjvusste seinem Fürsten auch zu schineicheln, denn er stellte ihn 
gleich Jupiter, mit dem Blitze schleudernd vor, und erhielt dafür 
ein ganzes Schädel voll Gold. Dieses berühmte Gemälde wurde im 
Tempel der Diana zu Ephesus aufgestellt. Der König war damit 
so Wßhl Zllffißdßn, dass er sagte, es gebe nur zwei Alexander, d" 
eine der Sohn Philipps, der Unüberwiiidliehc, der andere, der E185
	        
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