Volltext: Textbuch zu Th. Schreibers kulturhistorischem Bilderatlas des klassischen Altertums ([Bd.1],Textbuch)

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Kultus. 
Zeichen und dem Fluge oder Geschrei der Vögel den 
Willen der Gottheit zu erkunden suchte. Sobald eine 
öffentliche Handlung von gröfserer Wichtigkeit vorzu- 
nehmen war, begab sich der Beamte, dem sie oblag, 
mit einem Augur um Mitternacht oder doch vor Tages- 
anbruch an einen zur Beobachtung geeigneten Ort und 
wartete, bis ein bestimmtes, vorher genanntes Vogel- oder 
Blitzzeichen sich einstellte. Es wurde beim Beginn 
der Beobachtung ein umgrenzter, als Templum bezeichneter 
Raum angenommen, innerhalb dessen die Zeichen als 
bedeutsam zu betrachten seien. Handelte es sich um 
Blitzzeichen, so galt der gesamte Himmel als Templum 
(19,15). Der Blick des Augurs war in diesem Falle 
nach Süden gerichtet. Bei der viel häufiger geübten 
Vogelschau wurde eine Art Luft-Templum angenommen, 
der Standpunkt des Augurs war in der Regel ein seit 
alter Zeit hierfür geweihter Platz auf dem Kapitol, und 
als Templum galt bei dieser Art der Beobachtung ein 
nach Osten sich erstreckender, von der Stadtgrenze um- 
schlossener und am entgegengesetzten Punkte durch zwei 
bestimmte, offenbar hochstehende Bäume begrenzter Raum. 
Mit dem Krummstabe (19, 8, I4) wurden die Grenzen des 
Templum fixiert; und sobald ein Zeichen eintrat, die 
Richtung, in welcher es erschien, festgestellt. Bei manchen 
Vögeln war nur der Flug, bei andern nur die Stimme, bei 
noch andern beides bedeutsam. Richtung, Höhe und Art 
des Fluges, sowie Häufigkeit und Klang des Geschreies 
waren genau zu beobachten. Zeigte sich an Stelle des 
erwarteten Vogelzeichens oder neben demselben ein 
Blitzzeichen, so galt dieses unter allen Umständen als 
das wirksamere. Da die Luft-Templa an bestimmte, 
geweihte Orte der Hauptstadt gebunden waren, so konnte 
im Kriegslager keine Vogelschau im gewöhnlichen Sinne 
vorgenommen werden. Zum Ersatz nahm man in Kä-
	        
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