Kultus.
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heiligen Stätten gegenwärtig zu wissen. Dagegen ver-
mochte die Religion der nüchternen Römer ihren wesen-
losen Gottesbegriffen ebenso Wenig durch mythische Er-
zählungen wie durch bildliche Darstellungen einen rei-
Cheren Inhalt zu geben; erst als unter Begünstigung der
Wahrscheinlich selbst aus Griechenland stammenden Tar-
quinier die religiösen Vorstellungen dieses Landes in
Rom eindrangen, belebten sich auch die Tempel mancher
römischen Gottheit mit Kultusbildern.
Die im Orient heimische Anbetung heiliger Steine,
der sogenannten Baetylia(Beth-el, die Wohnung des Gottes,
Flennt in der Genesis Jakob den Stein, auf dem er ruht,
als er die Himmelsleiter sieht), die meist als vom Him-
mel gefallen angesehen wurden, waren auch dem grie-
Chischen Kulte nicht völlig fremd. Hier und da wurden
sie sogar in Tempeln verehrt und pflegten, ohne dal's
man ihre rohe, meist konische Eorm änderte, die Stelle
des Götterbildes zu vertreten (11,12). Viel häufiger
aber begegnen uns aus dem Holze heiliger Bäume ge-
bildete göttliche Symbole. War nämlich ein solcher
Baum verdorrt oder auf andere Weise zu Grunde ge-
gangen, so pflegte man einen Pfahl, einen Balken oder
ein Brett aus seinem Holze zu schnitzen und auf diesen
Rest die Verehrung zu übertragen. Je älter nun ein der-
artiges Kultobjekt War, um so mehr scheute man sich,
durch gewaltsame Umgestaltung desselben seinen heiligen
Charakter zu schädigen. So wurde man denn dem Be-
dürfnisse, ein in idealeren Formen gehaltenes Götterbild
ZU besitzen, in der Weise gerecht, dafs man durch blofse
Zusätze und Umhüllung mit Gewändern die ursprüng-
liche Form der menschlichen Gestalt näherte (11, 5411;
14, 8). In den Fällen, in Welchen kein überlieferter
Kultgegenstand die Freiheit der Formgebung beschränkte,
liefs man doch die Rücksicht auf das Material des Bildes