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Quellen und Flüsse, Haine und einzelne Bäume, Berg-
höhen und Grotten luden zur Andacht ein, indem sie
entweder Semst wie göttliche Wesen erschienen oder
doch die Nähe und das YValten solcher verrieten. Eine
bedeutende Rolle, wenn auch in geschichtlicher Zeit
weniger im staatlichen als im privaten Gottesdienste, spielt
die Verehrung der Bäume, die ja in mannigfaltiger Be-
Ziehung zum Leben, insbesondere zu dem des Naturmen-
schen stehen und die den für jede Formenschönheit so
empfänglichen Sinn des Griechen auch durch den plasti-
schen Reiz des Wuchses erfreuen mufsten. Auch für die
bildende Kunst Waren die heiligen Bäume ein willkom-
mener Gegenstand der Darstellung, weshalb uns diese in
der mannigfaltigsten Ausrüstung auf Bildwerken begegnen.
Bald ist ihr heiliger Charakter nur durch eine an einen
Zweig aufgehängte Bindeioder durch Klangbleche be-
zeichnet, die bei dem Wehen des Windes ertönen soll-
ten; bald ist ihnen aufserdem ein Opferaltar zur Seite
gestellt oder zur Andeutung des Tempels ist ein
thorartiger Überbau errichtet, der ihnen zugleich als Stütze
dient (11, 14; 65, 12), oder auch eine Säule, Welche den-
selben doppelten Zweck verfolgt (17, 12); bald auch sind
mehrere solche Bäume in phantastischer Weise mit ver-
schiedenen Kultgerätschaften zu einem Ganzen ver-
einigt (14, 11).
Wollte man in volkreichen Ortschaften einer Gott-
heit ein Heiligtum errichten, so war es in den seltensten
Fällen möglich, sie gewissermafsen in der Natur aufzu-
suchen, indem man einen Platz ausfindig machte, der der
Eigentümlichkeit ihres Waltens gerecht wurde, wie
wenn die Bewohner einer Seestadt dem Poseidon eine
Stätte der Verehrung am Meeresstrande gründeten oder
für den Dienst des Berggottes Pan sich eine Grotte
für den der Nymphen ein Bach im Innern der Stadt dar-