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Musik.
wurden, errang sich das Flötenspiel einen Platz. Die
Reihenfolge der musischen Vorführungen war in der
Regel bei diesen Festen folgende. Voran gingen
epische Vorträge, dann folgte Kitharaspiel mit und ohne
Gesang, sodann Flötenspiel ebenfalls in dieser doppelten
Form. Hieran schlossen sich, von der Flöte begleitet,
Chorgesänge und endlich auch dramatische Aufführungen.
Diese Reihenfolge der Vorführungen ist um deswillen
nicht ohne Interesse, Weil sie, soweit wir dies verfolgen
können, durchaus der geschichtlichen Entwickelung der
einzelnen Kunstgattungen entsprach. Im wesentlichen
blieb die Ordnung bis in die ersten nachchristlichen
Jahrhunderte hinein dieselbe. Aber bei den Festen der
Böotier begegnen wir einer bedeutungsvollen Abweichung,
insofern, entsprechend der grofsen Vorliebe dieses Volkes
für das Flötenspiel, bei ihnen die Vorträge auf diesem
Instrumente denen auf der Kithara vorangingen.
Was den profanen Gebrauch der Flöte betrifft, so
finden wir sie bei Kampfesübungen (24, 2), Tänzen (78,7)
und Gelagen (15, I; 16,7; 76, 2 u. a). Aber auch bei
der Leichenfeier (94, 4, 5; 109, 8) ertönten ihre aufregen-
den Klänge; denn die Griechen pflegten durch leiden-
schaftliche Äufserungen der Klage ihren Schmerz zu be-
schwichtigen.
Trotzdem die Flötenmusik ein so ausgedehntes Ge-
biet im Leben der Griechen besetzt hatte, blieb sich
doch insbesondere der feinfühlende Athener des fremd-
artigen, unhellenischen Charakters derselben bewufst.
Die Erzählungen von der Erfindung der Flöte durch
Athena, die ihr eigenes Werk verabscheut und Weg-
Wirft, Während ein Satyr es aufhebt, sowie der Mythos
von Marsyas, jenem Dämon des Flötenspieles, der es
wagte, mit Apollo einen musischen Wettkampf zu unter-
nehmen, von dem Gotte aber besiegt wurde und eines