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Städtebau.
thischen
Palastes
mit
ihrem
schönen
Estriqh
und
den
Säulenhallen an eine Verwendung für niedere Zwecke,
wie für die Unterbringung des Viehes oder des Mist-
berges, kaum denken lassen. Im Palaste des Odysseus
ist nicht einmal der Boden des Hauptraumes, des Männer-
saals, aus Estrich gebildet; er besteht vielmehr aus lockerer
Erde, in welche leicht Furchen gezogen werden können.
Am schärfsten aber tritt der Unterschied zwischen der
Anlage des homerischen und des tirynthischen Herrscher-
palastes in der Frauenwohnung hervor. Die Fürstinnen der
homerischen Gedichte pflegen einen grofsen Teil des Tages
im Männersaale an der Seite ihrer Gatten zuzubringen. Der
Raum, in welchem die Sklavinnen unter Aufsicht der Frau
oder einer älteren Dienerin arbeiten, spielt in der Vorstel-
lung des Dichters eine sehr untergeordnete Rolle. Er wird
nicht einmal mit einem besonderen Namen ausgestattet,
und kein unbefangener Leser der Gedichte kann auf den
Gedanken kommen, dafs er eine ähnliche Ausdehnung
gehabt habe wie die grofsartige Anlage der Frauen-
wohnung im tirynthiscl1en Palaste.
Es ist also offenbar vor der homerischen Zeit in
Bezug auf den Bauluxus ein Rückgang eingetreten, und
wir können gleich hier bemerken, dafs ein ähnlicher
Rückschritt sich für dieselbe Zeit in Bezug auf die Kunst
der Städtebefestigung beobachten läfst. Überhaupt haben
die in den letzten Jahrzehnten stattgefundenen Durch-
suchungen des griechischen Bodens nach Altertümern
aus vorhomerischer Zeit die Thatsache unzweifelhaft fest-
gestellt, dafs in der letzten Hälfte des zweiten Jahr-
tausends v. Chr. in einigen Gegenden des griechischen
Festlandes ein bedeutender Reichtum und eine hohe,
wenn auch von aufsen eingeführte Kultur geherrscht hat,
Welche in den folgenden Jahrhunderten verschwunden
ist. Die Ursache dieser rückläufigen Bewegung hat man