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Thcaterwesen.
Einen Vorhang gab es auf der griechischen Bühne
noch nicht. Man konnte diese Vorrichtung um so eher
entbehren, als der wesentlichste Zweck der durch den
Vorhang bewirkten Abscheidung der Bühne von dem
Zuschauerraume, nämlich die Verdeckung des Szenen-
wechsels, nach den ästhetischen Gesetzen des griechischen
Dramas in Wegfall kamr Denn bekanntlich haben die
griechischen Dichter bei ihren dramatischen Schöpfungen
ebenso die Einheit des Ortes wie die der Zeit zu Wahren
gesucht. Ein Szenenwechsel innerhalb desselben Stückes
kam nur sehr selten vor; in sämtlichen uns erhaltenen
Stücken des Äschylus, Sophokles und Euripides findet
er sich überhaupt nur an zwei Stellen und zwar beide
Male in der Weise, dal's die Hinzufügung oder Ver-
tauschung eines Versatzstückes ohne Änderung des Hin-
tergrundes zur Bezeichnung des Ortswechsels genügte.
ln der älteren Zeit, in welcher die Dichter den Chor
noch vielfach unmittelbar in den Gang des Stückes ein-
greifen liefsen, hätte die Anwendung eines Vorhanges nur
störend gewirkt, da die beiden Schauplätze der Handlung,
Bühne und Orchestra, welche ein zusammengehöriges
Ganze bilden sollten, durch denselben in unnatürlicher
Weise auseinandergerissen worden wären. Man zog es
also vor, den Zuschauer, sobald er das Theater betreten
hatte, den ganzen Raum übersehen zu lassen, auf welchem
sich das Stück abspielte. Sollte zu Beginn des Dramas
ein Mitwirkender schlafend oder sonst in ruhendem Zu-
stande gedacht Werden, so mufste sich der Schauspieler
eben vor den Augen des Publikums in die verlangte
Stellung begeben, eine leichte Zerstörung des Scheines,
welche die Gewöhnung den Alten Wohl ebenso erträglich
machte, wie sie den modernen Zuschauer keinen An-
stofs mehr daran nehmen läfst, wenn etwa der Schau-
spieler noch halb im Spiele begriffen seinen Dank für