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Theaterwesen.
Fülle ins Auge fallender Einzelheiten die Aufmerksam-
keit der Zuschauer von den handelnden Personen abzog.
Für die malerische Wirkung einer reichgeschmückten
Bühne sind die Zeitgenossen des Perikles nicht empfäng-
lich gewesen.
Wenn wir freilich den Textesworten der drama-
tischen Dichter glauben wollen, spielen sich sehr ver-
wickelte Vorgänge vor den Augen der Zuschauer auf
der Bühne ab. Es finden auf ihr ganze Volksversamm-
lungen statt, Häuser werden in Brand gesteckt und
Paläste stürzen zusammen. Aber wie hätte in ersterem
Falle die oft nur zwei bis drei Meter betragende Breite
der Bühne, in den beiden anderen Fällen der Mangel
einer geschlossenen Beleuchtung auch nur annähernd ein
Abbild der Wirklichkeit gestattet! Mit den Zwecken der
Posse war es ja vereinbar, wenn in solchen Fällen eine
eben wegen ihrer Dürftigkeit lachenerregende Veranschau-
lichung des Vorgangs die Stelle der ernsten Nachahmung
vertrat. Aber im Trauerspiel konnte man vor feinfühligen
Zuschauern nicht den Versuch Wagen, mit den dürftigen
Mitteln einer solchen Bühne etwa den Einsturz eines
Palastes in Wirklichkeit darzustellen. Dem Zuhörer mufste
in solchen Fällen eben zugemutet werden, sich den Vor-
gang auch ohne eine kräftige Unterstützung des Augen-
scheins zu vergegenwärtigen.
Es wurde seiner Einbildungskraft auch noch viel
mehr zugemutet. So mufste er sich in einem Stücke
nächtliches Dunkel und einen Hagelsturm vorstellen,
während doch der freundliche Tag die Bühne beschien.
In einem anderen Stücke zeigte die Szenerie zwei Häuser
nebeneinander: das eine von ihnen mufste sich der Zu-
schauer als mitten in der Stadt," das andere als fern da-
von auf dern Lande liegend vorstellen. In einem dritten
Stücke war dasselbe Haus zu Anfang als das städtische