Zweite Periode.
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1268 geweiht) zu Esslingen; die ähnlich, aber in leichteren Formen
ausgeführte, neuerlich zum grössten Theil abgerissene Franciskanerkirche
(Georgskirche) ebendaselbst; die in verwandter Strenge behandelte,
doch mit stattlichen Aussentheilen versehene Marienkirche zu Reutlingen
02474343).
Sodann auch hier die Aufnahme des französischen Systems in seinen
ausgebildeten Glanzformen und mit den Zeugnissen selbständiger Auffas-
sungsweise. Ein gewichtiges Werk dieser Richtung ist zunächst die Stifts-
kirche zu Wimpfen im Thal, ein Gebäude, welches nach sichrer l1isto-
rischer Nachricht in der Zeit zwischen 1262 und 1278 von einem in
Paris gebildeten Meister und „in französischem Werk" (opere francigeno)
ausgeführt wurde. Mit Ausnahme einiger geringen Stücke auf der Ost-
seite, welche einen Beginn des Baues noch in der Strenge der ebenge-
nannten Gebäude bezeugen, hat das Ganze den völlig durchgebildeten
Styl der französischen Schule, zugleich in einer Reife und Lebendigkeit
der Gliederungen, die, im Verhältniss zu den Detailformen der grossen
französischen Kathedralen und ihres zumeist etwas höhern Alters, schon
einen neuen Entwickelungsgrad anzeigt.
Ungefähr in dieselbe Epoche gehört das Schiff des Münsters zu
Freiburgl im Breisgau (am Westbau mit dem inschriftlichen Datum
1270). Sein inneres System, in der Pfeilerbildlmg durch romanische
Reminiscenz auf nicht ganz günstige YVeise bedingt, entbehrt, namentlich
durch den Mangel des Triforiums, der völlig angemessenen Entwickelung;
dagegen hat das Strebesystem seines Aussenbaues einen einfach klaren
Adel. Zugleich zeigen die älteren östlichen Theile wiederum eine Einwir-
kung jenes roh reducirten Styles, während das Uebrige sich in reicheren
Formen entfaltet. Die Westseite hat eine, im Innern reich ausgestattete
Halle und über, dieser einen, in den Untergeschossen schlicht aufsteigen-
den Thurm. (Der glänzende Oberbau desselben rührt aus der folgenden
iEpoche her.)
Ebenso der 1275 vollendete Schiffbau des Münsters von Strassburg,
eine Anlage verwandten Systems, aber mit geistvollerer belebterer Durch-
bildung des Innern, dem Schiffbau von St. Denis entsprechend und wohl
nach dortigen Studien ausgeführt, dabei aber in glücklicher Beschränkung
_der aufstrebenden Tendenz, mit breiter Anlage und vollendet harmonischer
Raumwirkung. Ihm schloss sich seit 1277 der Bau der Fagade, 2 nach
dem Plane und unter Leitung des Meisters Erwin von Steinbach an.
Auch in diesem Werke erkennt man französische Studien; es hat ent-
schieden die Anordnung, die Austheilurxg, die dekorativen Grundelemente
der Prachtfacaden der nordfranzösischen Kathedralen. Aber das dort
Gegebene ist hier zum fiüssigeren Adel, zur bewegteren- Anmuth durch-
gebildet. Die Verhältnisse und die Massen sind einfach, doch ist an
schicklichen Stellen eine. zierlich leichte Gliederung hinzugefügt; Sculp-
turschmuck ist reichlich vorhanden, aber ohne die drückendejUeberfülle
der französischen Muster. Dann tritt, völlig eigenthümlich, ein schlankes
Stab- und Maasswerk hinzu, welches sich vor die füllenden Flächen spannt
1 Denkmäler der Kunst,
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2 Ebenda,"
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