VIII.
Die Kunstbestrebungen
der
Gegenwart.
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korn an. In Frankreichl hat die classische Richtung in Bosio ihren
Hauptvertreter gefunden, dem sich eine Anzahl talentvoller Schüler wie
Duret u. a. anschliesst. Dieselbe Richtung vertrat Rude mit edlem
Naturgefühl und hoher Begabung, während der Genfer James Pradier
sie nach der Seite einer fast raffinirt eleganten Behandlung zur Geltung
brachte und Clesinger damit leidenschaftlichere Affekte zu verbinden
sucht. Der Darstellung individuellen Lebens in ganzer charakteristischer
Schärfe hat sich vornehmlich der energische David von Angers ergeben
und in monumentalen Werken (Giebelfeld des Panthcon) zwar oft sich
in's übertrieben Naturalistische verirrt, in zahlreichen Portraitgestalten
dagegen eine Fülle von Geist und Leben entwickelt. Dieselbe Bedeu-
tung hat für die Thierwelt der ausgezeichnete Barye, an Naturwahr-
heit, Feinheit und Sicherheit der Darstellung einer der ersten Meister
der Gattung.
Das mannigfaltigste Leben erblicken wir im Fache der Malerei. 2
Wie die Historienmalerei, und diese zum Theil in den umfassendsten
Werken, so erfreuen sich die verschiedenen Gattungen der Kabinetmalerei,
verschiedenartiger noch abgestuft als bei den niederländischen Kabinet-
malern des 17. Jahrhunderts, der thätigsten und erfolgreichsten Theil-
nahme. Zugleich gehen die einzelnen Richtungen in der Auffassung und
Darstellung, ja in den Grundprincipien des gesammten künstlerischen
Schaffens so weit auseinander, dass alle erdenklichen, zwischen den äus-
sersten Gegensätzen liegenden Abstufungen ihre Vertretung finden. Von
den streng religiösen Meistern, die im Anschluss an die mittelalterliche
Auffassung das Heil der Kunst erblicken, war oben schon die Rede. Ihnen
zunächst steht eine Gruppe ernster und tiefer Künstler, die sich durch
das Streben nach grossartiger stilistischer Auffassung auszeichnet. Sie
geht auf gedankenreiche, tiefsinnige Oompositioncn, auf edlen Zug der
Linien und feierlichen Rhythmus der Gruppirung aus, womit sie eine ent-
schieden plastische Formbezeichnung im Sinne der Antike und der römi-
schen Schule des 16. Jahrhunderts verbindet. Dabei ist freilich nicht zu
verkennen, dass selbst die bedeutendsten dieser Meister nicht entfernt so
gut mit den Farben umzugehen wissen wie Rafael, selbst wie Michelan-
gelo. Der bedeutendste unter diesen ist Peter. von Corneliusf nicht
der erste Maler, wohl aber der erste Künstler unsrer Zeit. Durch König
Ludwig von Bayern nach München berufen, schuf er daselbgt seit 1325
jene ausgedehnten Freskencyklen der Glyptothek, der Pinakothek und
der Ludwigskirche, in denen er eine eben so freie und grossartige Auf.
fassung des antiken wie des christlichen Idealkreises bekundete. Daran
schliessen sich in noch kühnerer Gewalt die Entwürfe für die Wandge-
mälde der von König Friedrich Wilh. IV. beabsichtigten Königsgräber zu
Berlin. Dem grossen Meister am nächsten verwandt in der Tiefe und
Kraft gleichartigen Strebens ist der früh verstorbene A, Rethelf (Fres-
ken im Rathhause zu Aachen, Compositionen zum Hannibalzuge u.
In München war neben Oornelius (und dem schon früher unter denkirch-
1 Denkmäler der Kunst, Taf. 118.
Taf. 106, Fig. 2 und Tnf. 119, Fig. 2.
2 Ebenda, T. 119-436.
4 Ebenda, Taf. 122, Fig.
3 Ebenda,
4.