Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

VIII. 
Die Kunstbestrebungen 
der 
Gegenwart. 
507 
korn an.  In Frankreichl hat die classische Richtung in Bosio ihren 
Hauptvertreter gefunden, dem sich eine Anzahl talentvoller Schüler wie 
Duret u. a. anschliesst. Dieselbe Richtung vertrat Rude mit edlem 
Naturgefühl und hoher Begabung, während der Genfer James Pradier 
sie nach der Seite einer fast raffinirt eleganten Behandlung zur Geltung 
brachte und Clesinger damit leidenschaftlichere Affekte zu verbinden 
sucht. Der Darstellung individuellen Lebens in ganzer charakteristischer 
Schärfe hat sich vornehmlich der energische David von Angers ergeben 
und in monumentalen Werken (Giebelfeld des Panthcon) zwar oft sich 
in's übertrieben Naturalistische verirrt, in zahlreichen Portraitgestalten 
dagegen eine Fülle von Geist und Leben entwickelt. Dieselbe Bedeu- 
tung hat für die Thierwelt der ausgezeichnete Barye, an Naturwahr- 
heit, Feinheit und Sicherheit der Darstellung einer der ersten Meister 
der Gattung. 
Das mannigfaltigste Leben erblicken wir im Fache der Malerei. 2 
Wie die Historienmalerei, und diese zum Theil in den umfassendsten 
Werken, so erfreuen sich die verschiedenen Gattungen der Kabinetmalerei, 
verschiedenartiger noch abgestuft als bei den niederländischen Kabinet- 
malern des 17. Jahrhunderts, der thätigsten und erfolgreichsten Theil- 
nahme. Zugleich gehen die einzelnen Richtungen in der Auffassung und 
Darstellung, ja in den Grundprincipien des gesammten künstlerischen 
Schaffens so weit auseinander, dass alle erdenklichen, zwischen den äus- 
sersten Gegensätzen liegenden Abstufungen ihre Vertretung finden. Von 
den streng religiösen Meistern, die im Anschluss an die mittelalterliche 
Auffassung das Heil der Kunst erblicken, war oben schon die Rede. Ihnen 
zunächst steht eine Gruppe ernster und tiefer Künstler, die sich durch 
das Streben nach grossartiger stilistischer Auffassung auszeichnet. Sie 
geht auf gedankenreiche, tiefsinnige Oompositioncn, auf edlen Zug der 
Linien und feierlichen Rhythmus der Gruppirung aus, womit sie eine ent- 
schieden plastische Formbezeichnung im Sinne der Antike und der römi- 
schen Schule des 16. Jahrhunderts verbindet. Dabei ist freilich nicht zu 
verkennen, dass selbst die bedeutendsten dieser Meister nicht entfernt so 
gut mit den Farben umzugehen wissen wie Rafael, selbst wie Michelan- 
gelo. Der bedeutendste unter diesen ist Peter. von Corneliusf nicht 
der erste Maler, wohl aber der erste Künstler unsrer Zeit. Durch König 
Ludwig von Bayern nach München berufen, schuf er daselbgt seit 1325 
jene ausgedehnten Freskencyklen der Glyptothek, der Pinakothek und 
der Ludwigskirche, in denen er eine eben so freie und grossartige Auf. 
fassung des antiken wie des christlichen Idealkreises bekundete. Daran 
schliessen sich in noch kühnerer Gewalt die Entwürfe für die Wandge- 
mälde der von König Friedrich Wilh. IV. beabsichtigten Königsgräber zu 
Berlin. Dem grossen Meister am nächsten verwandt in der Tiefe und 
Kraft gleichartigen Strebens ist der früh verstorbene A, Rethelf (Fres- 
ken im Rathhause zu Aachen, Compositionen zum Hannibalzuge u.  
In München war neben Oornelius (und dem schon früher unter denkirch- 
1 Denkmäler der Kunst, Taf. 118. 
Taf. 106, Fig. 2 und Tnf. 119, Fig. 2. 
2 Ebenda, T. 119-436.  
4 Ebenda, Taf. 122, Fig. 
3 Ebenda, 
4.
	        
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