VIII.
Kunstbestrebungen
Die
Gegenwart.
der
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besten Renaissancezeit nachgeahmt. 1 Freier, geistreicher, mannigfaltige;-
hat Semper am Theater und dem Museum in Dresden den Styl der
Renaissance im Sinne unsrer heutigen Erkenntniss der antiken Kunst
wieder aufgenommen und lebenskräftig fortentwickelt. 2 In ähnlichen
Tendenzen bewegt sich die Stuttgarter Architektur, wo der klassisch ge-
bildete v. Zanth thätig war, der in Leins und Egle eine freie Nach-
folge gefunden hat. In Darmstadt und Mainz hat der hochverdiente G.
M oller eine Anzahl tüchtiger Bauten in einem schlichten streng klassi-
schen Style erbaut; 3 in Hannover ist Laves ein etwas befangener Klas-
siker. In Frankreich hat die Schule des bedeutenden Percier sich
durch den Anschluss an die klassische Architektur und die edelsten Muster
der Renaissance hcrvorgethan. Diese Richtung Wird besonders durch
Hittorff, Duban, Fontaine, Normand u. A. vertretenßt
In der Sculptur tritt die entschieden classische Behandlungsweise zu-
erst bei dem Italiener A. Canova (1757-1822) hervor; doch steht er
noch auf der Grenzscheide zwischen dem Manierismus des 18. Jahrhun-
derts und dem Streben nach einer edleren Gestaltung. Andere, wie ins-
besondere die französischen Bildhauer dieser Richtung (z. B. Chaudet,
(1763-1812) brachten es, zum Theil nicht ohne bedeutenden Einfluss
von Seiten-Canovab, nur zu einer äusserlichen Aufnahme der antiken
Darstellungsmotive. 5 Ein zartes Gefühl für Naturwahrheit, besonders an
weiblichen Formen und im Portrait, entfaltete Dannecker in Stuttgart
(geb. 1758). In verwandter Richtung sind die schwedischen Bildhauer
Scrgel (1740-1814), Byström und Fogelberg hervorzuheben.
Auch der Berliner Friedrich Tieck ist als Vertreter der klassischen
Auffassung bemerkenswerth. Hoch über allen Zeitgenossen steht aber
der Däne B. Thorwaldsen (1770-1844), der den Adel und die Keusch-
heit der griechischen Meisterwerke in sich aufzunehmen und mit ebenso
reichem Geiste, wie mit tiefem und innigem Gefühle zu durchaus neuen
und eigenthümlichen Schöpfungen zu beleben vermochte.
In der Malerei fand der antikisirende Styl zunächst seinen glänzend-
sten Vertreter bei dem Franzosen J. L. David (1748-1825), ß dem eine
überaus grosse Menge von Schülern und Nachfolgern, namentlich Gerard,
Gros, Girodet, Guerin u. a., sich anschloss; aber seine und seiner
Nachfolger Werke sind von einer manierirten, Iäusserlich theatralischen Auf-
fassung nicht frei. Ein innigeres Verständnlss der Antike bekundete der
anmuthig weiche P. P. Prudlhon (1758-1823) und der dem Ende die-
ser Periode angehörige, jung verstorbene, hochbegabte Th. Gericault.
Mehrere der bedeutendsten unter David's Schülern wendeten sich einer
anderen, später zu betrachtenden Auffassung zu. Minder auffällig, aber
edler und mit reinerem Gefühle durchgebildet, sind die Arbeiten einiger
deutschen Künstler, vornehmlich die VOR A- J- Üarstens (1754-1798),
dem sich E. Wächter, G. Schick u. A. anreihen. 7 Auch gehören hie-
her, als poetisch bedeutsame Werke, Schinkelts Entwürfe im Fache der
historischen Malerei.
1 Denkmäler der Kunst, T. 109. 2 Ebenda, T. 110. 3 Ebenda, T. 110.
4 Ebenda, T. 112. 5 Für (11688 und die folgenden Bildhauer Vgl- Denkm.
der Kunst, Taf. 103. 6 Ebenda, T. 104. 7 Ebenda, Taf. 105.