Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

Der Kupferstich. 
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Hälfte des 16. Jahrhunderts angehört, bezeichnen entschiedener den 
Uebergang zur italienischen Kunstrichtung, auch schon zu einer manieri- 
stischen Behandlungsweise; so der Augsburger Daniel Hopfer und der 
Nürnberger Virgilius Solis. 
Unter den Niederländern jener Zeit seiehnet sich Lucas von 
Leyden durch die höchste Feinheit und Gewandtheit im Mechanischen 
des Stiches, Dirk van Staren (gest. 1544) durch eine edle Ausbildung 
des eigenthümlich niederländischen Charakters aus.  
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, welche die allgemeine 
Verbreitung jener reineren, von den grossen italienischen Meistern aus- 
gebildeten Behandlung der Form, ob auch in äusserlich manieristischer 
Auffassung, zur Folge hatte, gelangte auch der Kupferstich, was das 
Formelle seiner Technik anbetrifft, zu einer höheren Stufe. Dies geschah 
in den Niederlanden, und zwar vornehmlich durch den Holländer Hein- 
rich Goltzius, (1558-1617). Er förderte jene plastische Behandlungs- 
weise, die bei den älteren Italienern nur mehr in Andeutungen bestanden 
hatte, zu einer wundersamen Ausbildung, indem er durch den Schwung 
und die Bewegung seiner Schattenlinien, durch ihr Anschwellen und Ver- 
schwinden, durch die verschiedene Weise ihrer Durchschneidung allen 
Gesetzen der Modellirung aufs Genaueste zu folgen wusste. Der geistige 
Gehalt seiner Werke ist allerdings gering; aber man möchte fast sagen, 
es sei dieser Mangel nöthig gewesen, um zu einer also freien Herrschaft 
über den Steif gelangen zu können. Ihm schloss sich eine namhafte 
Anzahl von Nachfolgern an; unter seinen Schülern sind besonders her- 
vorzuheben: Jacob Matham, Johann Müller und Job. Sanredam. 
Bei Andern, wie bei den Gebrüdern Sadeler, unter denen Johann 
(geb. 1550) der bedeutendste ist, ging indess auch das Aeussere dieser 
Behandlungsweise in Manier über. 
Durch Goltzius" Bestrebungen war dem Kupferstich zuerst das Feld 
eröffnet worden, auf welchem seine volle Bedeutung sich entwickeln sollte, 
erst in solcher Behandlung war er geeignet, die Leistungen der höheren 
Kunst mit selbständig künstlerischer Gültigkeit nachzubilden, gleich ihnen 
die volle Durchbildung der Form, alle Unterschiede des Stoiflichen _in 
der Erscheinung und selbst den Anschein der Farbe wiederzugeben. Die- 
ser Grad der technischen Ausbildung forderte aber auch eine ausschließ- 
liche Hingabe von Seiten des Künstlers, der sich "dem Stiche widmen 
wollte; für den Maler, der darin Seine ldßßn unmittelbar auszudrücken 
und zu vervielfältigen gedachte, war er nicht füglich mehr geeignet. Die 
Maler wandten sich somit, für diese Zwecke, fortan der Aetzkunst zu, 
in welcher die leichten Spiele der Radirnadel dem Gedankengange un- 
gleich bequemer und unmittelbarer folgen mussten. S0 haben die nieder- 
ländischen und vornehmlich die holländischen Maler des 17. Jahrhunderts 
(auch einzelne, die andern Nationen angehören) eine ungemein grosse
	        
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