Der Kupferstich.
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nur anzudeuten. Als der erste namhafte Meister dieses Faches ist der
Florentiner Baccio Baldini hervorzuheben, der nach Zeichnungen des
Sandro Botticelli arbeitete; sein erstes zuverlässiges Blatt findet sich in
einem Druckwerk vom J. 1477. Ungleich bedeutender als dieser, war
der Maler Andrea lllantegna; er förderte die Ausbildung und die
Behandlung des Stiches zu einer wesentlich höheren Stufe; zugleich bot
seine ganze, plastisch-antikisirende Darstellungsweise, das Relief-artige
derselben, der eben angedeuteten Richtung ein vorzüglich angemessenes
Feld dar. Seiner Weise schlossen sich Griovanni Antonio da Bres-
cia, und Robetta, ein Florentiner, an. Andre, wie llIarcello Fogo-
lino, Giulio Oampagnola, Gio. Maria da Brescia, Nicoletto
da Modena, Girol. Mocetto, Benedetto Montagna, Domenico
Campagnola (zum Theil oben schon als Maler erwähnt), verbanden
damit im Einzelnen zugleich das Bestreben nach malerischer Wirkung.
Eine neue Förderung, dem hohen Aufschwunge der italienischen
Kunst zu Anfange des 16. Jahrhunderts entsprechend, brachte Marc An-
tonio Raimondi (geb. um 1488) der italienischen Kupferstecherei. An-
fangs durch Francesco Francia als Goldschmied gebildet, zeigt er sich in
seinen früheren Stichen diesem Meister verwandt, dann dem Andrea
Mantegna nachstrebend. Bald jedoch wandte er sich zu Rafael und stach
vorzugsweise nach dessen Zeichnungen, sowie auch nach denen einiger
Schüler und Zeitgenossen Rafaels. Raimondfs Grösse besteht in der Em-
pfänglichkeit für den Geist, der in jenen Zeichnungen niedergelegt war,
und in dem Vermögen, denselben mit freiem Bewusstsein wiederzuschaf-
fen; mit feinem Verständniss giebt auch er die Umrisslinien wieder, wäh-
rend er sich in der Schattirinig, auf ein einseitig technisches Verdienst
verzichtend, mit sehr einfacher Strichlage begnügt. Seine Blätter sind
Wesentlich mit in Betracht zu ziehen, wenn es sich um eine Würdigung
der grossen Zeit, welcher er angehört, handelt. 1 An Marc Antonio reiht
sich eine bedeutende Zahl von Nachfolgern an. Zunächst seine beiden
Schüler Agostino da Venezia, ein vorzüglich geistreicher Zeichner,
und Marco da Ravenna. Sodann der (dem Namen nach unbekannte)
Meister mit dem Würfel, der dem Marc Antonio sehr nahe steht;
Beatrizet, ein mehr mechanischer Nachahmer; Enea Vico, und die
Künstlerfamilie der Ghisi, deren Werke zum Theil jedoch schon in die
spätere Zeit des 16. Jahrhunderts hinabreichen. Der bedeutendste und
ausgebildetste unter den Gliedern dieser Familie ist Giorgio Ghisi;
mehr untergeordnet sind Adam und Diana Ghisi. Sodann gehört noch
hieher der venetianische Maler Batista Franco, il Semmei, dessen
künstlerische Richtung in dem Kupferstich ein ihr älngelnessenes Element
finden musste. Giulio Bonasone, Schüler des LQI-enzo Sabbatini,
geht bereits auf einen leichten Vortrag in mehr manieristischem Sinne
1 Neuerdings hat ein in der Kunstsammlung der Akademie zu Düsseldorf
beündlicher Stich nach einer auch von Marc Anton, aber in ungleich derberer
Weise gestochenen Rafaelischen Madonna gegründeten Anlass gegeben, auch
Rafael einen Versuch in dieser Kunst zuzusprechen und dem grossen Meister
also eine Stelle unter den Kupferstechern einzuräumen. Vergl. A. Müller, ein
Kupferstich von Rafael (mit Fnesimile). Düsseldorf 1860.