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Die bild.
Kunst d.
18. Jahrh.
Historienmalerei
Die französische Historienmalerei.
In der französischen Historienmalerei des 17. Jahrhunderts treten
uns zunächst ein Paar Künstler von eigenthümlicher Richtung, fast eine
Ausnahme in dem allgemeinen Streben der Zeit bezeichnend, entgegen.
Der eine von diesen ist Nicolas Poussin (1594-1665), der, in Rom
ansässig, sich hier einem fast ausschliesslichen Studium des classischen
Alterthums hingab. Von seinen Zeitgenossen, namentlich von den italie-
nischen Eklektikern, wurde allerdings das Studium der Antike ebenfalls
nicht vernachlässigt, doch betrachtete man dasselbe insgemein nur als
eins der verschiedenartigen Mittel zur freieren künstlerischen Ausbildung.
Poussin dagegen strebte, sich völlig in den Sinn des Alterthums zu ver-
senken und von solcher Anschauung aus seine Compositiouen zu gestal-
ten. So eignete er sich eine Durchbildung des Styles an, die sich in
grossartigem Aufbau der Composition, -edlem Rhythmus der Linienführung,
harmonischer Farbenbehandlung und glücklichenAbwägung der Massen
geltend macht. Ueberhaupt war er mit einem sorgsam prüfenden Geiste
begabt, der den Gegenstand nach allen Seiten zu durchdringen und die
Darstellung mit vollständiger Oonsequenz aus den inneren Bedingnissen
der Aufgabe zu entwickeln strebte. Dazu kommt ein wahrhaft uner-
schöpflicher Reichthum der Phantasie, eine bewundernswürdige Vielseitig-
keit der Gestaltungskraft, ein Adel der Zeichnung und der Formentwick-
lung, die sich meist mit einer dem Gegenstande entsprechenden lebens-
wahren Farbengebung verbindet. Diese bedeutenden Vorzüge verleihen
den historischen Gemälden des tiefsinnigen Meisters einen hohen, bleiben-
den Werth, wenn auch manchmal in ihnen das warme, frische Lebens-
gefühl vermisst wird, welches den Beschauer unbedingt zum Mitgefühl
hinzureissen pflegt. (Eine grosse Zahl bedeutender Werke im Louvre zu
Paris und in England.) Unmittelbarer wirkt er in seinen Landschaften,
von denen später die Rede sein wird. Nachahmer Poussin's waren
Jacques Stella und Charles Alphons Dufresnoy, beide von ge-
ringer Begabung. Höher und selbständiger zeigt sich der Brüsseler Phi-
lippe de Champaigne (1602-1674), in grossen Kirchenbildern zwar
ziemlich beschränkt und lahm, in Bildnissen dagegen gediegen und an-
ziehend durch schlichte Wahrheit und klare Färbung. Der zweite Meister
ist Eustache Lesueur (1617-1655). Auf ihn hatte der edlere Schön-
heitssinn, der Rafaels Compositionen durchdringt, lebhaft gewirkt; er
wusste sich demselben, nicht ohne Glück, anzunähern, und diesen reineren
Adel der Form zugleich zum Ausdruck einer milden und gewissermaassen
elegischen, liebenswürdigen Gemüthsstimmung zu machen. Ohne sich
durch eine sonderliche Energie der Behandlung auszuzeichnen, ohne jene
Tiefe und Kraft des Geistes, die bei Poussin ersichtlich wird, gehören
seine anziehenden Bilder neben den Werken des letzteren zu den würdig-
sten Leistungen der französischen Schule. Sein Hauptwerk sind die frei-
lich jetzt sehr verdorbenen Gemälde aus dem Leben des heil. Bruno, im
Louvre zu Paris; ebendort die h. Scholastika, der kreuztragende Christus
und das poetische Deckengemälde des Phaeton.
Die vorherrschende Richtung der französischen Schule wird durch die