spanische Malerei.
Die
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glänzendsten Triumph feierte, ebenso, wie jener neue Aufschwung des
Katholicismus selbst an Spanien seine sicherste und bedeutsamste Grund-
lage fand. Das leidenschaftliche Element der Zeit verlor hier jenen trü-
ben Zusatz, der sich anderweitig aus _der Opposition und dem feindlichen
Widerspruch entwickelt hatte. Wie bei Rubens, aber ungleich mehr den
spiritualistischen Interessen zugewandt, ward es zu einer glühenden Be-
geisterung, welche das Leben in seiner unmittelbaren realen Gegenwart
gewaltig erfasste und demselben dennoch das Gepräge einer, bis zur Ver-
zückung sich steigernden Schwärmerei zu geben wusste. Diese kühne
Verbindung der vollen Sinnlichkeit mit dem, aus demselben sich hinaus-
iiüchtenden unsinnlichen Gefühle, dieses, mehr Zusammenfassen als Lö-
sung der grössten Widersprüche des Lebens, dieses gleichmässige Zusam-
menwirken des Realismus und Spiritualismus, die ein jeder in seiner
ganzen Einseitigkeit hervortreten, dies ist es, was man als den Grundzug
der spanischen Kunst bezeichnen muss. Die italienischen Studien des
vorigen Jahrhunderts hatten für die dazu nöthige künstlerische Kraft eine
sichere Grundlage gegeben; auch jetzt werden dieselben, zugleich mit
Studien nach Rubens und van Dyck, noch weiter fortgesetzt; dabei aber
macht sich eine ausgedehnte und freie Auffassung der heimischen Natur,
die den spanischen Werken dieser Zeit (gleich denen der Niederländer)
ein so bezeichnendes nationales Gepräge giebt, mit Entschiedenheit be-
merklich.
Man unterscheidet in der spanischen Malerei des 17. Jahrhunderts
vornehmlich drei Schulen; die bedeutendste, derselben ist die Schule
von Sevilla. Die Künstler der letzteren, deren Blüthe in die frühere
Zeit des 17. Jahrhunderts fällt, schliessen sich zunächst noch den älteren
Meistern, und mit diesen den Italienern an. Unter ihnen sind hervorzu-
heben: Francisc-o Pacheco (1571-1654), etwa dem Annibale Caracci
vergleichbar: Juan dc las Roelas (1558-1625), undFrancisco de
Herrera el viejo (1576-1656), beide durch treffliche Behandlung des
Colorits, nach dem Vorbilde der Venetianer, ausgezeichnet; sodann Alonso
Vasquez, die Brüder Augustin und Juan del Castillo und der
Sohn des Augustin, Antonio del Castillo.
Weiter und eigenthümlicher entfaltet sich die Sevillaner Schule in
der Zeit um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Zunächst in den Werken
des Francisco Zurbaran (1598-1662), den man den spanischen Ca-
ravaggio genannt hat, der diesem Meister in der ergreifenden Gewalt der
Darstellung allerdings nahe steht, sich aber von ihm durch einfachere,
naturgetreuere Färbung und durch bedeutsameren Ernst und Würde, be-
sonders in seinen zahlreichen Mönchsbildern, vortheilhaft unterscheidet
(Bilder in denMuseen zu Sevilla, Madrid und BerIinJ-Sodannbei
Don Diego de Velazquez de Silva (1599-1660).' Aus einer ent-
schieden naturalistischen Richtung wusste sich dieser grosse Künstler zu einer
so hohen, energischen Anmuth und zu einem so grossartigen Adel zu ent-
wickeln, wie er von keinem anderen Künstler der verwandten naturalistischen
Richtung je erreicht worden ist. In staunenswerther Sicherheit der Hand,
1 Velazquez und seine Werke,
William
VOII
Stirling, Berlin
1856.