deutsche Historienmalerei.
Die niederländische und
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Kunst in zwei besonderen und unterschiedenen Richtungen aus, die sich
hier bestimmter wie in Italien, da sie auf der verschiedenartigen Ent-
wickelung der nationalen Eigenthümlichkeit beruhen und da sie zugleich
eine jede in einem einzelnen Meister ihren Oulminationspunkt finden, als
Schulen bezeichnen lassen. Die eine ist die Schule von Brabant, dem-
jenigen Theile der Niederlande, wo Katholicismus und monarchische Herr-
schaft aufs Neue festgestellt waren; die andere ist die Schule von Holland,
wo man die Freiheit des protestantischen Glaubens und der Volksverfas-
sung errungen hatte. Jene schliesst sich unmittelbar, den eklektischen
Richtungen der Italiener vergleichbar, an die Vorbilder der grossen Mei-
ster an, diese befolgt einen freien und unabhängigen Naturalismus. Da-
bei ist jedoch ein sehr bedeutender Unterschied von den Richtungen der
gleichzeitigen italienischen Malerei wahrzunehmen, indem volksthümliches
Element und volksthümliche Gesinnung hier auf beiden Seiten als charak-
teristisch entscheidende Factoren in den Vorgrund treten.
Dies letztere Verhältniss ist namentlich bei der Schule von Bra-
bant um so bestimmter ins Auge zu fassen, als sieinanderer Beziehung,
wie eben bemerkt, den eklektischen Richtungen der Italiener parallel
steht. Der Gründer und das eigentliche Haupt dieser Schule ist Peter
Paul Rubens (1577 bis 1640). Rubens, ursprünglich ein Schüler des
Adam van Noort (Oort) und dann des Octavius van Veen, hatte sich
sodann in Italien, vornehmlich nach den Werken der Venetianer, gebil-
det. Paolo Veronese ist hier als sein vorzüglichstes Vorbild zu nennen.
In dem Glanz und der Pracht der Farbe hat er Vieles mit diesem Mei-
ster gemein, doch ist sein Oolorit und mit diesem die ganze Körperlich-
keit seiner Gestalten, mehr massenhaft, aus einem derberen Stoffe gebildet,
als bei Paolo V eronese. Diese Verschiedenheit aber war ein nothwendi-
ges Ergebniss seiner gesammten Auffassungsweise. Glanz und Pracht
des Daseins zu entwickeln, lag allerdings auch in seiner künstlerischen
Absicht; aber er verband damit zugleich die Darstellung mächtiger That-
kraft, eines grossartig bewegten körperlichen Handelns; das volle Gefühl
der Existenz tritt bei ihm nicht in der behaglichen Ruhe des Genusses,
sondern rege und fast leidenschaftlich nach aussen gewandt, hervor; und
wo er sich des Genusses zu erfreuen scheint, da erkennt man doch in
seinen Gestalten die vollste Befähigung zur That. Es liegt in alledem
zugleich ein sehr entschiedenes naturalistisches Element; aber er weiss
sich, bei aller Derbheit in den äusseren Motiven seiner Darstellung, auf
einer freudigen Höhe über der gemeinen Naturwahrheit zu erhalten. Sein
Drang imd Streben zur That führt ihn sodann überall zu einer energisch
dramatischen Durchbildung seiner Compositionen, sowohl der einfachen
Altarblätter, in denen die Heiligen insgemein sich dem Throne der Him-
melskönigin lebhaft bewegt entgegendrängen, als der verschiedenartigen
historischen Darstellungen, welche theils der heiligen Geschichte und der
Mythe des Alterthums, theils der Geschichte der Gegenwart angehören.
Unter den gewaltigsten Werken dieser Art sind verschiedene Kampfbilder
itnzuführen, namentlich Darstellungen von Kämpfen zwischen Menschen
und Thieren. Seine zahlreichen Bildnisse athmen nicht minder die 170116
Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte. II. 30