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des
der zweiten Hälfte
Die bild. Kunst in
J ahrh.
bewegten Geiste belebt erscheinen. Die klare, in ruhigem Genügen ge-
haltene Darstellungsweise seiner Vorgänger, namentlich des Tizian, be-
friedigte ihn nicht; es trieb ihn zu einer mehr energischen Behandlung
der Form (im Sinne der Florentiner) und, hiemit in Uebereinstimmung,
zu einer kräftigen, wirkungsreichen Schattengebung. Man kann gewis-
sermaassen sagen, dass das venetianische Colorit, wie bei Tizian ins
Helle, so bei Tintoretto ins Dunkle ausgebildet sei. Bei seinen bedeu-
tenden Verdiensten ist Tintoretto freilich auch von erheblichen Mängeln
nicht frei; bei seinen grösseren Compositionen (unter denen seine Dar-
stellungen in der Schule des h. Rochus, seine Wunder des h. Marcus in
der Akademie und seine Hochzeit zu Cana in der Sakristei der Salute
zu Venedig zu den ausgezeichnetsten gehören) tritt sogar die manie-
ristische Richtung der Zeit, namentlich jenes absichtliche Streben nach
Schaustellung, mehr oder weniger deutlich hervor. Dennoch bleibt er in
vielen Einzelheiten auch solcher Gemälde stets höchst beachtenswerth;
und vor allen gehören seine Bildnisse, dergleichen sich in mehreren
Sammlungen finden, zu den grossartigsten Leistungen dieses Faches. Als
Nachfolger seiner Richtung ist sein Sohn Domenico Tintoretto her-
vorzuheben. Noch höher steht Paolo Caliari, gen. Paolo Vero-
nese (1528-1588). lDieser Meister fasst die Natur mit voller, freier
Unmittelbarkeit auf, aber getragen und gehoben von jener classischen
Grösse des Sinnes, welche durch die früheren Meister der Schule bereits
begründet war. Seine Bilder stellen das Leben in glänzendem, festlichem
Rausche dar, wie es bei den freudigsten Anlässen sich entwickelt und
wie es zu jener Zeit der venetianischen Blüthe so leuchtend erschien;
der volle Genuss des Daseins, eine Stimmung des Gefühles, die wie auf
heiter erregten Wellen ruhig und sicher dahintlutet, spricht aus ihnen zu
uns. Prächtige Paläste bauen sich in diesen Bildern empor, von Schaa-
ren festlich Versamrnelter belebt; funkelnde Geräthe und Geschmeide,
schillernde Gewänder, alle bunte Farbenlust ist in ihnen vor unsern Au-
gen ausgebreitet, aber ein klarer sonniger Tag umfängt das Ganze, und
der Erguss des Lichtes vereint diesen Wechsel der Formen und Farben
zur lautersten Harmonie. In der Meisterschaft des Colorits, in der geist-
reichen Führung des Pinsels steht Paolo Veronese auf der höchsten Stufe.
Seine bedeutendsten Gemälde stellen, im Einklange mit solcher Sinnes-
richtung, festliche Mahlzeiten dar; zu diesen gehören: die grosse Dar-
stellung der Hochzeit zu Kana, im Museum von Paris; Christus an der
Tafel des Levi, in der Akademie von Venedig; eine zweite Hochzeit
zu Kana, in der Galerie von Dresden; Christus an der Tafel des Simon,
in der Galerie von Turin, u. a. m. Auch anderweitig zieht er Gegen-
stände vor, die zu der Entwickelung festlicher Pracht Gelegenheit gaben,
wie die Anbetung der Könige und Aehnliches. Aber auch da geht er
aus solcher Stimmung nicht heraus, wo sie minder passend an ihrer
Stelle war, wie z. B. in einfachen Altarbildern; in manchen von diesen
Werken erscheint er, was sehr natürlich ist, in dem freien Erguss seines
Gefühles beengt, und er wirkt hier somit allerdings minder erfreulich.
(Eine ganze Anzahl von Gemälden, meist aus seiner früheren Zeit, in
S. Sebastiano zu Venedig, grosse Altarbilder in S. Gillstilla Zll Padua,