Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Sculptur. 
demselben Jahre!) und das kleine Relief einer nackten Frau, davon ein 
Gypsabguss in der Berliner Kunstkammer. In der Sammlung von 
Gotha, im Vorzimmer des Naturalienkabinets, finden sich zwei kleine 
in Holz geschnitzte Statuen, Adam und Eva, die mit der grössten Fein- 
heit und Zartheit, durchaus frei von aller Manier, im edelsten Dürer- 
schen Geiste ausgeführt sind und die als eins der treiflichsten Beispiele 
dieser Kunstgattung gelten dürfen. 1 
Vorzüglich bedeutend zeigt sich die Schnitzkunst des kleinen Maass- 
stabes in der Fertigung von Bildniss-Medaillons, die in der Regel in 
Speckstein oder Holz geschnitten, häufig auch geformt und in Metall ab- 
gegossen wurden. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich von solchen 
Metallabgüssen, da sie mehrfach gefertigt wurden, eine ungleich grössere 
Anzahl erhalten hat, als von den Originalen; von eigentlichen Original- 
werken besitzt die königl. Kunstkammer zu Berlin eine namhafte An- 
zahl äusserst werthvoller Arbeiten. In der That entfaltet sich in diesen 
kleinen Werken, indem sie von der einfachen Naturanschauung ausgehen, 
nicht selten eine so hohe Schönheit, ein so reiner und geläuterter Styl, 
dass sie wiederum zu den edelsten Erzeugnissen der gesammten deut- 
schen Kunst gerechnet werden müssen, und dass sie den italienischen 
Portraifmedaillen der besten Zeit als durchaus ebenbürtig zur Seite stehen. 
Vorzüglich unterscheiden wir in diesen Arbeiten zwei Hauptschulen, die 
von Nürnberg und die von Augsburg. Jene, deren Originale zumeist 
aus Speckstein geschnitzt sind, lassen, mehr oder weniger deutlich, das 
nürnbergische Bestreben nach einer gewissen entschiedenen Stylistik er- 
kennen. Einige wenige Arbeiten der Nürnberger Schule aus der früheren 
Zeit des 16. Jahrhunderts sind von Albrecht Dürer gefertigt; sie 
zeichnen sich durch eine geistreiche Leichtigkeit der Behandlung aus. 
Andre schreibt man mehreren seiner Schüler zu. Für die vorzüglichsten 
Werke jedoch, die dem zweiten Viertel des Jahrhunderts angehören, und 
die mit jenem Bestreben eine ungemein feine Durchbildung verbinden, 
fehlen die Namen der Meister; wir werden dieselben unter den oben an- 
geführten Künstlern und anderweitigen Zeitgenossen zu suchen haben. 
Die augsburgischen Medaillons, deren Originale vorherrschend aus Holz 
geschnitzt sind, zeigen grösstentheils eine naivere, aber mit der höchsten 
Zartheit und Anmuth durchgeführte Beobachtung des Lebens; die vor- 
züglichsten dieser Art darf man nicht ohne Grund dem Hans Schwartz 
von Augsburg zuschreiben, der gerade in solchen Arbeiten vor allen 
Zeitgenossen gerühmt wird. Einige wenige augsburgische Arbeiten zeigen 
dagegen, abweichend, eine eigenthümlich breite und nicht ganz günstig 
durchgeführte Stylistik, die man wohl durch den Einliuss italienisch- 
antikisirender Kunst erklären darf.  Andere treftliche Portraitmedaillen, 
wiederum von abweichender Eigenthümlichkeit, gehören Niederdeutsch- 
land an. Als ein Paar namhafte Meister dieser Gegend Sind Hierßny- 
1 Ich meine die beiden Figuren, welche von Rathgeber (Beschreibung der 
herzogl. Gemälde-Galerie zu Gotha, S. 119, unten) äusserst geringschätzig beur- 
theilt werden. Das angebliche Dürer'sche Relief des Sündenfalles, 111 derselben 
Sammlung, welches Rathgeber (S. 116, E.) höchlichst rühmt, ist dagegen eine 
Arbeit von sehr untergeordnetem Kunstwerth.
	        
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