Volltext: Handbuch der Kunstgeschichte (Bd. 2)

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gothischen Styles. 
des 
Die Kunst 
erkerartigen Fialenthürmehen über den oberen Ecken, mit schlanker Helm- 
spitze, die zwischen den letzteren emporschiesst. Es ist die Bemerkung 
vorweg zu nehmen, dass eine befriedigende Auflösung der in den obern 
Theilen des Thurmes ausgedrückten Bewegung in der französischen Go- 
thik fast nirgend erreicht wird, vielmehr im Wesentlichen .ihrer jungen 
Schwester, der deutschen Gothik angehört; der Wechsel der viereckigen 
Grundform in die achteckige, die sinnreiche Vermittelung, in welcher 
derselbe ausgeführt wird, bildet das Hauptmotiv für die derartigen Aus- 
führungen. Im Uebrigen fehlt es der Thurm-Architektur nicht an mehr 
oder weniger reicher dekorativer Ausstattung; mit der Dekoration der 
Fagade, der Austheilung und dem Schmuck der Portale, der Fenster, der 
vielfach beliebten Nischengallerieen einigt sie sich zu einem höchst wir- 
kungsreichen Ganzen. 
Im Ornament tritt überall statt der romanischen Reminiscenz jene 
Nachahmung heimischer Naturform ein, zuerst in strengerer Behandlung, 
z. B. in den Blätterkelchen der Kapitale, später in der WVeise eines un- 
befangen spielenden Schmuckes. 
Frankr 
Die neuen baulichen Entwickelungen, zunächst im französischen Nord- 
osten und in unmittelbarer Fortsetzung der im Vorigen besprochenen 
Anfange des gothischen Systems, kündigen sich in einfachen Motiven an. 
Die Kathedrale von Soissons, deren Chor und Vorderschitfe (nach 
jenem um etwas früher ausgeführten Querschilfflügel, S. 14) aus dem An- 
fange des 13. Jahrhunderts herrühren, ist als ein charakteristisches Bei- 
spiel voranzustellen. Die Arkaden des Inneren haben Säulen, die nur 
erst an ihrer Vorderseite mit je einem Schafte besetzt sind; von dem 
letzteren werden die Dienstbündel getragen; die Fenster bestehen in der 
engern Zusammenordmlng zweier schlanken Spitzbogenöünungen und einem 
oifnen Rund mit einfacher Kleeblattfüllung über diesen. Der Chor, halb- 
rund, mit Umgang, hat einen Kranz von Absidenkapellen, deren Grund- 
riss schon polygonisch ist. (Facade und Seitengiebel des Aeusseren sind 
später.)  Die Ruine der Kirche von Ourscamp, unfern von Compiegne, 
zeigt ein verwandtes System in leichterer DurchbildungL- Das Schiff 
der Kirche St. Lcu d'Esserent hat starke Rundpfeiler mit je vier Schaf- 
ten, durch ein gemeinschaftliches Kapital abgeschlossen, und darüber auf- 
setzende Dienste; die Fenster denen der Kathedrale von Soissons gleich. 
 Die westlichen Theile der Kathedrale von Paris kommen für dasselbe 
Entwickelnngsverhältniss in Betracht. Der eigenthümlichen Behandlung 
der Pfeiler zwischen den Seitenschifen ist schon (S. 13) gedacht. Die 
Westfagade 1 ist für die erste Feststellung des Systems von Bedeutung, 
die Norm für den gothischen Facadenbau des französischen Nordostens 
enthaltend, in stattlicher Fülle bei einer noch nüchtern geordneten, noch 
nicht rhythmisch entwickelten Austheilung: dreitheilig durch schlicht 
 
1 Denkmäler 
der Kunst,
	        
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