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IV. K. Die nord. K.
B. Sculptur.
gothische Pyramide emporsteigtf Sein vorzüglichstes Werk jedoch bil-
den die aus Holz geschnitzten grossen Chorstühle des Ulmer Münsters
(1469 und 1474), die, ausser mit den mannigfaltigsten architektonischen
Ornamenten, mit einer überaus grossen Anzahl von Brustbildern, heid-
nische Weisen und Dichter, altbiblische Lehrer, Apostel und männliche
Heilige, Sibyllen, altbiblische Frauen und weibliche Heilige vorstellend,
versehen sind. Diese Brustbilder sind ebenso durch lebenvolle Charak-
teristik, durch, Schönheit und Anmuth, wie durch die Freiheit und Zier-
lichkeit der Arbeit im höchsten Grade ausgezeichnet. Nicht minder aus-
gezeichnet ist der kurz vorher (1468) entstandene Dreisitz am Ende des
Ohores (1468), dessen Rückseite als Laienaltar dient. Dagegen stehen
die Chorstühle in St. Stephan zu Wien, die man ihm hat zuschreiben
wollen, 2 tief unter dem trefflichen Meister. Einen tüchtigen Nachfol-
ger fand er an seinem Sohne Jörg Syrlin dem jüngeren, der das
Ghorgestühl im Kloster Blaubeuren(1496), den glänzenden Kanzeldeckel
im Münster von Ulm (1510), die Chorstühle in der Kirche zu Geisslin-
gen (1512), u. a. m., vielleicht auch die Passion in sieben Reliefs am
Portal der Kirche zu Oberdischingen fertigte. Auf die Schule der
Syrlin deuten sodann noch viele andere treifliche Chorstühle, die sich
in verschiedenen schwäbischen Orten vorfinden. Als ein namhafter Mei-
ster ist ihnen Heinrich Schickhart von Singen beizufügen, der das
Gestühlwerk im Chore der Stiftskirche von Herrenberg (1517) fertigte.
Auch ein lebensgrosses Reliefbildniss im Schlosse zu Urach wird ihm
zugeschrieben.
Ein andrer in derselben Gattung der Sculptur ausgezeichneter Künst-
ler, ein Zeitgenoss des älteren Syrlin, ist Simon Haider von Constanz.
Von ihm rührt, im Dome von Constanz, das Schnitzwerk an den Thür-
Bügeln des Hauptportales, Scenen der Passionsgeschichte enthaltend, her
(1470). 3 Am Münster zu Bern sind die reichen Steinsculphiren des
Hauptportals von Nicol. Künz.
Mehr der Masse als des Styles wegen erwähnen wir die hundert Re-
liefs an den Brüstungen der Emporen in S. Anna zu Annaberg, 1522
vollendet von Theophilus Ehrenfried und seinen Gehülfen Jakob
Hellwig und Franz von Magdeburg, biblische Geschichten und die
Lebensalter darstellend; das Ganze von tüchtiger Behandlung, zum Theil
nach Motiven A. Dürer's. Verwandte Behandlung zeigt sich an den
Sculpturen der Thür zur alten Sakristei ebendaselbst; dagegen sind die-
jenigen der sogen. goldenen Pforte (1502-1512?) in der Erfindung besser
und Selbst grossartig, in der Ausführung sorgfältiger zu nennen.
III einer Kapelle am Kreuzgang des Domes von Augsburg befin-
det sich ein Altar mit Reliefs aus dem Leben der Maria (1540), Welcher
zu den besten Werken dieser Zeit gehört. Ebenfalls gegen die Mitte
des 15- Jahrhunderts mag ein sehr schönes, an Holbein'sche Auffassung
erinnerndes Hochrelief der Krönung Mariä, an der Hauptkirche zu Lands-
1 Thrän, Denkm. altdeutscher Baukunst, Stein- und Holzseulptur
ben. 2 Tsischka, a. a. T. 25-33. 3 Denkm. deutsch. Bauk.
rhein, T. I, 3. Waagen, 1m Kunstblatt 1848, N0. 62.
in Schwa-
am Ober-