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Die nord. K. v. Anf. d.
16. J ahrh.
A. Malerei.
Meister diesenzweiten Richtung ist Jean Fouquet von Tours, Hof-
maler Ludwigs XI. Von ihm rühren der grössere Theil der Miniaturen
einer französischen Uebersetzung des Josephus in der genannten Biblio-
thek (um 1488), sowie eine bedeutende Reihenfolge von Miniaturen im
Besitz des Hrn. Georg Brentano zu Frankfurt a. M. her. Besonders
die letztern sind von grossartigem Styl und verbinden eine feierliche
Schönheit der Oonception mit der höchsten Pracht und Sauberkeit der
Ausführungß Fouquet war auch Staifeleirnalcr; doch stimmt das ihm
zugeschriebene Bild, den Schatzmeister König Karl's VII., Etienne Ohe-
valier, mit seinem Schutzpatron, dem h. Stephanus, darstellend, ebenfalls
im Besitze des Hrn. Brentano, nicht sonderlich mit jenen Miniaturen
überein, weil er in den Tafelbildern sich mehr der italienischen Weise
zuzuneigen scheint? Nahe verwandt sind auch zwei als „altfranzösische
Schule" bezeichnete Männerbildnisse im Louvre, darunter das des Kö-
nigs Karl VII., die" man daher füglich dem Fouquet zuschreiben darf.
Als einen wahrscheinlich unmittelbaren Schüler des Johann van Eyck
betrachtet man Reue den Guten, Herzog von Anjou und Titularkönig
von Neapel und Sicilien (1408-1480), von welchem im Hospital zu Vil-
leneuve bei Avignon und in der Kathedrale zu Aix in der Provence 3
noch Altarbilder vorhanden sein sollen ein früheres Bild, ehemals
beiHrn. Clerian in Aix, lässt noch einen italienischen Einfluss, etwa
des Pisanello, erkennen. Auch im Anfange des '16. Jahrhunderts er-
scheinen die vorgenannten Richtungen der französischen Miniaturmalerei
in weiterer Anwendung; zugleich aber bildet sich in jener Richtung, welche
mehr von der italienischen Auffassungsweise an sich hat, ein übertriebe-
nes und absichtlich gesuchtes graziöses Element aus, welches fortan für
die französische Kunst charakteristisch bleibt. In solcher Art erscheinen
z. B. die Arbeiten des Miniaturmalers Godefroy (1519). Im weiteren
Verlauf des 16. Jahrhunderts erfolgt sodann eine entschiedenere und un-
mittelbare Einwirkung durch jene italienischen Künstler, welche nach
Frankreich berufen waren. Eigenthümlich steht diesen der Portraitmaler
Francois Clouet, gen. Janet, (um 1550) gegenüber, indem er sich,
nicht ohne eine gewisse nationale Feinheit, mehr der Weise der vorge-
nannten niederländischen Portraitmaler, auch des H. Holbein anschliesst.
Im Belvedere zu Wien mit dem Namen und der Jahrzahl 1563 bezeich-
netes lebensgrosses Bildniss KarPs IX. von Frankreich. Ebendort ein
feines, dem Holbein zugeschriebenes Brustbild der Johanna Sevmour.
Von der spanischen Malerei des 15. Jahrhunderts können wir
nur im Allgemeinen sagen, dass auch sie von dem flandrischen Realis-
mus, und zwar sehr unmittelbar, berührt wurde. In besonders grossartiger
Uebung erscheint, nach allem zu urtheilen, die Glasmalerei, getragen
zuerst von nordischen Meistern, welchen bald einheimische nachfolgen.
Die alterthümlichsten Fenstergemälde in der Kathedrale von Leon; dann
1 Näheres siehe Kugler, Kl. Schriften, II, 351. 2 Das Frankfurter Bild
zeigt eine mehr als zufällige Uebereinstimmung im Styl derlZeichnung, im Ton
der Färbung, in der Archltekhlr und all ihren Einzelheiten mit den beglaubigten
Bildern des Fra CßTneYß-le, Was auf ein Schulverhältniss oder wenigstens auf
Nachahmung schliessen lasst. O. M. 3 dükgincourt, Malerei, t. 166.