Die niederländischen Schulen.
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van der Goes. Sein Hauptwerk ein Altarbild in der Kirche S. Maria
Nuova zu Florenz, auf der Mitteltafel die Geburt Christi, auf den Flü-
geln Heilige und Donatoren. (Die Tafeln sind gegenwärtig einzeln an-
den Wänden der Kirche aufgehängt.) In der Galerie Pitti zu Florenz
ein Bildniss, auf dessen Rückseite ein verkündigender Engel. Im Museum
von Berlin und mehrern andern Galerieen ist ihm eine bedeutende An-
zahl von Gemälden zugeschrieben. Ueberaus bedeutend ist sodann ein
anderer Meister, Rogier van Brügge (starb 1464);' er zeigt ein noch
schärferes, noch mehr durchgebildetes Naturstudium, was ihn aber zu
einer gewissen Magerkeit und Eckigkeit der Formen verleitet. Dies we-
nigstens den Gemälden zufolge, die ihm mit Wahrscheinlichkeit zuzu-
schreiben sind: eine Madonna zwischenden h. h. Cosmas und Damianus, in
Italien für Pietro und Giovanni de' Medici (um 1450) gemalt, im Städel-A
sehen Institut zu Frankfurt a. M.; der h. Lucas, die Madonna malend,
in der Pinakothek von München (J. van Eyck genannt); die Anbetung
der Könige, mit der Verkündigung und der Darstellung im Tempel auf
den Flügelbildern, ebendasclbst (Joh. Memling oder Hemling gen); eine
zweite, ebenfalls Memling zugeschriebene Anbetung der Könige, auf den
Flügelbildern Johannes der Täufer und S. Christoph, ebenda; die Geburt
Christi, auf den Flügeln Kaiser Augustus mit der Sibylle und die heil..
drei Könige, im Museum von Berlin; Christus am Kreuz und die sieben
Sakramente, in der Sammlung der Akademie zu Antwerpen (ebendort
ein köstliches Bildchen der Verkündigung aus seiner früheren Zeit); das
höchst prachtvolle Reisealtärchen Carls 'V. (um 1430), gegenwärtig im
Museum zu Berlin; drei Historien aus dem Leben des Täufers, und ein
Triptychon mit der Geburt Christi, aus der späteren Zeit des Künstlers
ebenda; fünf grosse Altartafeln mit dem Weltgericht, im Hospital zu
Beaune in Burgund; endlich mehrere treifliche Tafeln im Museum zu
Madrid. (Die Kreuzabnahme daselbst und eine kleinere in S. Pierre
zu Löwen scheinen eher dem jüngeren Rogier zu gehören.) 2
Johann Memling (früher irrig Hemling),3 der Schüler des
Rogier van Brügge, bezeichnet ein neues Entwickelungsmoment der flan-
drischen Schule. Mit einer reichen dichterischen Phantasie vereint er
eine zarte Anmuth der Darstellung; seinen Gestalten wusste er sehr bald
mehr Fülle in den Formen, mehr Grazie in den Bewegungen, als bis
dahin üblich gewesen war, zu geben; sein Colorit entwickelte sich zu
einer hohen Farbenpracht und zu einem zarten Schmelz des Vortrages;
in dem landschaftlichen Theil seiner Gemälde (der bei den Eyck's noch
das Gepräge eines mehr kindlichen Spieles hatte) erscheint zuerst eine
1 Nach den Mittheilungen Vlleagenls ("Nachträgeu 9m im Kunstbmtt 1347,
N0. 43) hiess dieser berühmteste Schüler der Van Eyck eigentlich Rogier van
der Weyden, war schon 1436 Maler der Stadt Brüssel, und starb vor 1464.
Seinem gleichnamigen Sohn oder Verwandten werden wir unten begegnen.
Ueber diese beiden Rogier s. Przssavunt, in v. Quastis Zeitschrift, H, Nra 1_
2 Von einem kostbaren Flügelaltärehen der Eyckaschen schule mit der Anbetung.
der Könige im Dom zu Ragusa berlchtet R v. Eißelberqcrr im Jahrbuch der
österr. Centrn-Commission. 1861. 3 Ueber den Namen s. ilVanym, im deutschen
Kunstblatt, 1854, S. 177. Ueber die Werke in Brügge KlLgltT, Kleine Schrif-
ten, II, S. 507.