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Die ital. bild. Kunst in d. ersten Hälfte d.
16. Jahrh. B.
Malerei.
dung und hat den grössten Einfluss auf die fernere Entwickelung der
Landschaftsmalerei geübt.
Als nähere Nachfolger Tizians sind hervorzuheben: seine Verwandten
Francesco, Orazio imd Marco Vecellio; Girolamo Dante,
gen. Girol. di Tiziano; der tüchtige Luca Monverde aus Udine,
und ebendaher Sebastiano Florigerio (Madonna mit dem Kind
und mehreren Heiligen in der Akademie von Venedig); Bonifazio
aus Verona, ein tüchtiger und ansprechender, in der Färbung dem Ti-
zian oft ganz nahe kommender Künstler (eine ausgezeichnete, dem Gior-
gione zugeschriebene Findung Mosis in der Brera zu Mailand, Meh-
reres in der "Akademie zu Venedig und in dortigen Kirchen, sowie
in der Gal. Borghese zu Rom und anderswo); Andrea Schiavone;
Domenico Oampagnola aus Padua; Giovanni Cariani ausBer-
gamo (die Mehrzahl seiner Bilder in seiner Vaterstadt, ein Hauptbild
in der Brera zu Mailand, h. Familie;) u. A. m.
Die letzteren unter den ebengenannten Künstlern gehören ihrer ur-
sprünglichen Heimath nach der Lombardei an. Bei einigen andern lom-
bardischen Malern vermischen sich die jener Gegend eigenthümlichen
Kunstrichtungen mit den Elementen der venezianischen Kunst und brin-
gen in solcher Art manche besondere, im Einzelnen sehr anziehende Er-
scheinungen hervor. Zu diesen gehört zunächst Lorenzo Lotto aus
dem Trevisanischen, 1 gebildet unter Giovanni Bellini, lange ansässig in
Bergamo und viclbeschäftigt in der Mark Ankona, ein liebenswürdigen
phantasie- und gemüthvoller Künstler von einer dem Oorreggio verwandten
Erregbarkeit der" Empiindung', die ihn gelegentlich auch zur Uebertrei-
bung verleitet. Zahlreiche Werke von ihm sind durch ganz Italien ver-
breitet, in den Kirchen von Venedig, namentlich in Bergamo, wo
seine Hauptwerke sind, dann in Ancona, Loreto, Jesi, Recanati
und in vielen Galerien in und ausserhalb Italien. Sodann Calisto
Piazza von Lodi, Sohn jenes früher genannten Martino Piazza, der die
gemüthvoll zarte Richtung des letzteren durch venezianische Studien,
hauptsächlich beeinflusst von Romanino aus Brescia, zu einer höheren
Grossartigkeit und Energie umgestaltet. Sein Hauptwerk ist die Him-
melfahrt Mariä in der Parochialkirche zu Oodogno (1533); andere Bil-
der in der Kirche dell" Incoronata zu Lodi. Der bedeutendste jedoch
unter diesen Künstlern ist Alessandro Bonvicino von Brescia, gen.
il Moretto, ebenfalls unter Romanino gebildet. Sein Streben war
vorzugsweise auf den Ausdruck eines ernsten Gemüthszustandes, auf die
Darstellung einer stillen und hohen Würde gerichtet. Zu solchem Zweck
wusste er mit der Zartheit des venezianischen Colorits sehr glücklich das
lombardische Helldunkel und zugleich die Grossheit der Zeichnung, welche
die römische Schule durch Rafael als ihr Eigenthum empfangen hatte,
zu vereinigen. Er ist durchaus den trefflichsten Meistern jener Zeit zu-
zuzahlen. Brescia besitzt vorzügliche Werke seiner Hand, namentlich
die Kirchen S. Clemente, S. Eufemia und Nazario, in der sich u. a. eine
Krönung der Maria auszeichnet; manches Andere findet sich in den
1 O. Mündler, Essai.
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