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Die ital. bild. Kunst in d. ersten Hälfte d. 16. Jahrh.
Malerei.
ihn mehr darauf hin, ein keckes, frisches Naturleben, unbekümmert um
das tiefere Leben der Seele, mit raschen Zügen zu entfalten. Der kirch-
lichen Malerei zog er demgemäss gern die Darstellung antiker, namentlich
mythischer Gegenstände vor, welche letzteren mit solcher Richtung im
besseren Einklange standen. Doch hat er auch in der Zeit zunächst
nach Rafaels Tode, in welcher der Geist des Meisters und die Umgebung"
seiner Werke noch einen näheren Einfluss auf ihn ausübten, manch ein
bedeutendes und im Allgemeinen würdiges kirchliches Bild geliefert, so
namentlich: das Bild der Steinigung Stephani in S. Stefano zu Genua;
eine Madonna mit Heiligen über dem Hauptaltar von S. Maria deIPAnima
zu Rom; eine heilige Familie in der Galerie von Dresden, u. A. m.
In dieselbe Zeit fallen auch einige Freskcmalereien mythischen Inhalts,
die sich noch durch eine gewisse heitere Anmuth auszeichnen, nament-
lieh die in der Villa Madama und in der Villa Lante. bei Rom. Im
Jahr 1524 ward Giulio nach Mantua berufen; wie sich ihm hier (was
bereits früher bemerkt ist) ein weites Feld für sein architektonisches Ta-
lent eröffnete, ebenso ward ihm nunmehr Gelegenheit geboten, auch den
Reichthilm seiner Phantasie im Fache der Malerei zu entfalten. Grosse
Paläste wurden von ihm und von den Schülern, die sich alsbald um ihn
versammelten, mit-Freskomalereien, deren Gegenstand durchaus der An-
tike angehört, ausgefüllt; doch ist zu bemerken, dass aus diesen Arbei-
ten, trotz aller Kraft des Talentes, jener edlere und geläuterte Sinn
immer mehr entschwindet und dass die Auffassungsweise mehrfach bis
zur Gemeinheit, die Darstellung bis zur Rohheit und Unschönheit gehen.
Es sind namentlich die Arbeiten zweier Paläste anzuführen: die in dem
älteren, in der Stadt belegenen herzoglichen Palaste (in einem Zimmer
des Untergeschosses, dem Uflizio della Scalcheria, Scenen aus der Jagd
der Diana, diese noch in einem edleren, an Rafael erinnernden Style;
in dem Hauptsaale des Palastes die Geschichte des trojanischen Krieges),
und die in dem Palaste del Te, ausscrhalb der Stadt (zwei Haupträume
mit dern Sturz der Giganten und mit den Geschichtender Psyche u. a.;
von letzteren finden sich in der Villa Albani- zu Rom die meisterhaft
ausgeführten, sorgfältig vollendeten farbigen Entwürfe.) An Staffeleibil-
dern aus dieser späteren Zeit sind im Allgemeinen nicht viele, und hier-
unter nur einzelne Arbeiten von Bedeutung vorhanden; ihr Inhalt gehört
Zumeist ebenfalls der Mythe an. Giulio's Einfluss auf die Schule von
Mantua und die der umliegenden Städte, namentlich Crem0na's war bei
seiner grossen Begabung und seiner äusseren Stellung ein _tief eingreifen-
dcr und im Ganzen nicht erfreulicher. Doch werden unter seinen Schü-
lern und Gehülfen bei den Arbeiten in Mantua als tüchtige Künstler
Rinaldo Mantovano (manche Altarbilder in den Kirchen seiner Va-
terstadt), Fermo Guisoni und Benedetto Pagni aus Pescia gerühmt.
Ippolito Andreasi, der bis tief in die zweite Hälfte des Jahrhunderts
noch malte, hat sich, auf Einwirkungen der Schule von Parma und selbst
noch des Mantegna gestützt, der Manier Giulio's glücklich zu erwehren
gewusstf Der bedeutendste Schüler des letztern, Francesco Prim a-
1 Vgl.
Essai pag?
Mündlefs
225 ff.